Knapp dreißig Jahre nach dem mysteriösen Tod der 14-jährigen Kalinka Bamberski steht ihr deutscher Stiefvater in Frankreich wegen Mordes vor Gericht. Im Pariser Schwurgericht begann am Dienstag der Prozess gegen den Arzt Dieter K., den Kalinkas leiblicher Vater aus 2009 Deutschland entführen ließ. Er wirft der deutschen Justiz vor, den Fall seiner Tochter nicht ernst genommen zu haben. Kalinkas Vater verdächtigt den Arzt, das Mädchen 1982 in dessen Haus in Lindau am Bodensee vergewaltigt und mit einer Spritze getötet zu haben. Seitdem spielt sich ein Justizkrimi zwischen Deutschland und Frankreich ab.
Der Angeklagte hatte stets darauf verwiesen, dass er wegen des Falls nicht rechtmäßig vor Gericht gestellt werden könne, da er widerrechtlich über die Grenze verschleppt wurde und in Deutschland nicht belangt wird. Durch die Entführung hervorgerufene Verletzungen beeinträchtigten seine Gesundheit noch heute. Seine Tochter Diana Günther, die beim Prozess anwesend war, betonte vor dem Verfahren, sie hoffe, dass der Prozess die jahrelangen Justizrangeleien beende. Ihr Vater sei unschuldig. Zudem sei sein Gesundheitszustand schlecht.
Verteidiger zweifelt Zuständigkeit des Gerichts an
Dieter K. kam abgemagert, auf Krücken und zögernden Schrittes in den Zeugenstand. Er wirkte leicht unkonzentriert bei der Beantwortung der Fragen zu seiner Person. Er verfolgte aber aufmerksam die Präsentation der Kläger - auf der Anklagebank saß neben Kalinkas leiblichem Vater auch seine geschiedene Frau, Kalinkas Mutter Danielle Gonnin. Sie hatte bisher weitgehend die Darstellung des Angeklagten gestützt, tritt aber nun als Nebenklägerin auf.
Der Verteidiger des Angeklagten zweifelte gleich zu Beginn die Zuständigkeit des Pariser Geschworenengerichts an. Auch er verwies darauf, dass sein Mandant für den Prozess widerrechtlich von Deutschland nach Frankreich verschleppt worden sei. Zudem sei in Deutschland ein entsprechendes Verfahren eingestellt worden.
Der Prozess verstoße gegen die Grundrechte, meinte Anwalt Yves Levano. Er forderte das Gericht auf, eine übergeordnete europäische Instanz die Frage der Rechtmäßigkeit klären zu lassen. In drei Monaten könnte sie geklärt sein. "Alle europäischen Staatsangehörigen warten auf Ihre Entscheidung", sagte er zu der Vorsitzenden Richterin. Der Prozess soll bis zum 8. April dauern.