Er schoss auf einen unbewaffneten Straftäter, bis das Magazin seiner Pistole leer war: Gegen einen Berliner Polizisten, der am Silvesterabend im brandenburgischen Schönfließ einen gesuchten Verkehrsrowdy getötet hat, ist Haftbefehl ergangen. "Die Schüsse waren zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt, es war auf keinen Fall Notwehr", sagte der Leitende Neuruppiner Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher am Dienstag.
Achtmal feuerte der 34-jährige Zivilbeamte auf den Gesuchten - schon die erste Kugel aus kurzer Distanz war tödlich. In Untersuchungshaft kommt der Polizist vorerst nicht, der Haftbefehl wegen des Verdachts des Totschlags wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Tipp aus der Familie des Opfers
Der Berliner Beamte bekam nach Darstellung Schnittchers am Nachmittag des 31. Dezember 2008 einen Tipp, wo sich der 26-jährige Straftäter aufhalte. "Der Hinweis kam aus dem Kreis der Familie der Freundin des Opfers", erklärte Schnittcher. Der Stiefvater der minderjährigen Freundin des Mannes arbeitet bei der Bundespolizei. Ob er seine Polizeikollegen rief, wollte Schnittcher nicht sagen.
Schon zweimal war der 26-Jährige, der nicht weniger als 158 Straftaten von Verkehrsdelikten bis gefährlicher Körperverletzung auf dem Kerbholz hatte, den Fahndern entwischt. Einmal besprühte er einen Beamten mit Pfefferspray, ein anderes Mal raste er in einer Hollywood-reifen Verfolgungsjagd quer durch Berlin und wurde schließlich gestoppt. Deswegen wurde er laut Schnittcher zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt, doch die Haftstrafe trat er im Juli nicht an. Seither wurde nach ihm gefahndet - bis zu dem folgenschweren Silvesterabend.
Schüsse aus kurzer Distanz
Zu dritt eilten die Zivilbeamten am letzten Tag des Jahres im Auto nach Schönfließ, wo der Gesuchte seine Freundin abholen wollte. Dort sahen sie den Straftäter in einem Auto sitzen und hielten schräg vor dem Wagen. Was dann geschah, ist später mit 50 Beamten vor Ort aufwendig rekonstruiert worden. Demzufolge stiegen zwei der drei Beamten aus, blieben neben dem Sportwagen des Verdächtigen stehen. "Es kam zu einem aggressiven Wortwechsel", berichtete Schnittcher.
Dann schoss der 34-jährige Beamte, der direkt neben der Fahrertür stand, "aus kurzer Distanz". Der Schuss in die Brust war tödlich, der Getroffene überlebte ihn nur wenige Momente. "Es war definitiv kein Querschläger, wie in der Presse zu lesen war", meinte Schnittcher. Es sei ein gezielter Schuss gewesen. Das Geschoss habe zwar leichte Abschürfungen gehabt, diese seien aber durch das Durchschlagen der Seitenscheibe entstanden.
Das Motiv bleibt vorerst rätselhaft
Der Sterbende ließ den Motor an, startete durch, fuhr gegen eine Häuserwand, fuhr zurück, kollidierte mit dem Polizeiwagen und raste noch einige Meter davon. Einer der Beamten gab später an, er sei vom Auto des Gesuchten am Knie verletzt worden. Der Schütze feuerte während der kurzen Fluchtfahrt noch siebenmal aus seiner Dienstwaffe, fünf Schüsse trafen das Auto, aber keiner den Flüchtenden. "Bis das Magazin leer war", sagte Oberstaatsanwältin Lolita Lodenkämper. Der Polizist schweigt bisher zu den Vorwürfen.
Angaben zum Motiv machten die beiden Juristen am Dienstag nicht. Mord sei jedenfalls ausgeschlossen - da Täter und Opfer nicht in persönlicher Beziehung standen. Ein Eifersuchtsdrama, wie es in den Medien kursierte, sei also ausgeschlossen. War es eine Hinrichtung? Der sonst so ruhige Schnittcher, laut und bestimmt: "Nein!"