Offiziell ist der Tod von Jeffrey Epstein geklärt: Der ehemalige Investmentbanker und Sexualstraftäter nahm sich laut Obduktionsbericht am 10. August 2019 in Manhattan das Leben – in einer Gefängniszelle, in der er saß, weil er jahrelang minderjährige Mädchen missbraucht und zur Prostitution angestiftet haben sollte, manche von ihnen erst 14 Jahre alt. Besonders in den USA kursiert jedoch die Theorie, Epstein, der bereits 2008 in Florida wegen ähnlicher Vorwürfe verurteilt worden war, sei ermordet worden, um zu Verhindern, das in einem Prozess mögliche Verstrickungen von reichen und mächtigen Personen in seinen Fall untersucht werden.
Jeffrey Epstein soll sein Umfeld manipuliert haben
Die "New York Times" hat sich mithilfe des Informationsfreiheitsgesetzes Zugang zu mehr als 2000 Seiten aus den Unterlagen der New Yorker Gefängnisbehörde verschafft, diese ausgewertet und jetzt in einem umfangreichen Bericht Epsteins 36 Tage in der Haftanstalt in Manhattan detailliert wiedergegeben. Demnach manipulierte und täuschte der 66-Jährige bis zum Schluss Justizvollzugsbeamte, Berater und speziell geschulte Insassen, die ihn rund um die Uhr überwachen sollten.
Epstein habe den Menschen in seinem Umfeld immer wieder versichert, dass er noch viel vorhabe, während er gleichzeitig angedeutet habe, dass er zunehmend verzweifelt sei, berichtet die Zeitung. So habe er bereits vier Wochen vor seinem Tod offenbar einen Suizidversuch unternommen. Im Juli 2019 sei er mit einem Streifen seines Bettlakens um den Hals bewusstlos auf dem Boden seiner Zelle aufgefunden worden.
In den Stunden und Tagen danach habe Epstein aber behauptet, ein "wundervolles Leben" zu führen, und jeden Suizidgedanken abgestritten. "Ich habe kein Interesse daran, mich umzubringen", sagte er der "New York Times" zufolge zu einem Gefängnispsychologen. Er sei ein "Feigling" und möge keine Schmerzen. "Das würde ich mir nicht antun."

In der Haftanstalt habe Epstein viele Tage in einem Konferenzraum mit seinen Anwälten verbracht, um der Enge seiner feuchten und schmutzigen Zelle zu entfliehen, schreibt die Zeitung weiter. Psychologen und anderen Häftlingen habe er von seinem Interesse an Physik und Mathematik erzählt und ihnen kleine Tipps für Investitionen gegeben. Außerdem habe er in Erinnerungen an Begegnungen mit Prominenten geschwelgt und sich über die laufende Toilette in seiner Zelle, die orangefarbene Gefängniskleidung, seine Schlafprobleme, seine Dehydrierung und ein Taubheitsgefühl in seinem rechten Arm beklagt.
In der Nacht, in der er sich das Leben nahm, log Epstein nach Angaben der "New York Times" die Gefängnisbeamten an und behauptete, er wolle seine Mutter anrufen, die aber schon lange tot war. Stattdessen habe er mit seiner Freundin telefoniert. Das Gefängnispersonal habe ihn in dieser Nacht allein in seiner Zelle gelassen, trotz der ausdrücklichen Anweisung, dass ihm ein Zellengenosse zugewiesen werden sollte. Die Inkompetenz und Schlamperei einiger Mitarbeiter der Haftanstalt und Epsteins Manipulierungen hätten dazu geführt, dass die Gefängnisbehörde einen Fehler nach dem anderen gemacht habe, was schließlich zu Epsteins Tod geführt habe.
Fünf Wochen nach dem Suizid stellten Beamte der Bundespolizei FBI eine psychologische Rekonstruktion von Epsteins Tod zusammen, die nie zuvor veröffentlicht wurde, wie die Zeitung berichtet. Diese sei zu dem Schluss gekommen, dass die Identität des Multimillionärs wohl auf seinem Reichtum, seiner Macht und seiner Verbindung zu anderen hochrangigen Personen beruhte.
"Der Mangel an bedeutenden zwischenmenschlichen Beziehungen, der völlige Verlust seines Status in der Gemeinschaft und unter den Kollegen und die Vorstellung, möglicherweise sein Leben im Gefängnis zu verbringen, waren wahrscheinlich Faktoren, die zu Herrn Epsteins Selbstmord beitrugen." Epstein hätte bei einem Schuldspruch eine jahrzehntelange Haftstrafe gedroht.
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Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 erreichbar. Auch eine Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
Quelle: "New York Times"