In einem aufsehenerregenden Kinderschänder-Prozess in Portugal sind nach fast sechs Jahren Verhandlungsdauer alle sieben Angeklagten schuldig gesprochen worden - sechs von ihnen müssen Haftstrafen antreten. Der ehemalige Gärtner und Fahrer des Heimes, der als einziger Angeklagter seine Schuld eingestanden hat, muss für 18 Jahre hinter Gitter, wie das Gericht in Lissabon am Freitag verkündete. Einer der Verteidiger kündigte an, das Urteil anzufechten. Angeklagt waren sechs Männer und eine Frau, darunter ein landesweit bekannter TV-Showmaster sowie ein hochdekorierter Diplomat und früherer Unesco-Botschafter.
Insgesamt behandelte das Gericht 826 Fälle von Missbrauch oder Anstachelung zur Prostitution. Die Opfer waren Minderjährige aus dem staatlichen Kinderheim Casa Pia. Sechs von ihnen waren als Nebenkläger aufgetreten und waren bei der Urteilsverkündung anwesend. "Wir sind alle glücklich", sagte einer von ihnen, Bernardo Teixeira. "Wir können endlich sagen, dass die Pädophilen verurteilt sind."
Strafmaß über der Forderung der Staatsanwaltschaft
Allein dem ehemaligen Gärtner und Fahrer des Heimes wurden sexueller Missbrauch und Anstachelung zur Prostitution in insgesamt 600 Fällen vorgeworfen. Er wurde zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, die anderen Haftstrafen reichten von fünf Jahren und neun Monaten bis hin zu sieben Jahren. Die Staatsanwaltschaft hatte mindestens fünf Jahre Haft gefordert.
Unter den Verurteilten waren ein Ex-Fernsehmoderator, ein früherer Botschafter, ein Anwalt und ein Arzt. Die Besitzerin eines Hauses im Südosten von Portugal, wo regelmäßig Missbrauchsorgien mit Kindern stattfanden, wurde als einzige der sieben Angeklagten freigesprochen. Neben den Haftstrafen ordnete das Gericht an, dass die Verurteilten einigen der Opfer zwischen 15.000 und 25.000 Euro Entschädigung zahlen müssen. "Das ist eine Schande", sagte der Anwalt des ehemaligen Fernsehmoderators Carlos Cruz nach der Urteilsverkündung. "Wir werden unsere Stimme erheben, um gegen den enormen Justizirrtum anzugehen, der heute begangen wurde."
Opfer wollten sich das Leben nehmen
Das Kinderhaus Casa Pia trage eine Mitschuld, da es die Verbrechen nicht aufgedeckt habe, erklärte die Vorsitzende Richterin während des Prozesses. Der Umstand, dass Kinder eines staatlichen Heimes über Jahre von einem Pädophilen-Ring ausgebeutet wurden, hat das Vertrauen vieler Portugiesen in die Institutionen des Landes erschüttert. Für einige der Opfer hat der Prozess eine solche Belastung dargestellt, dass sie nach Angaben des leitenden Staatsanwalts versuchten, sich das Leben zu nehmen.
Der Skandal schockierte die Nation nach ersten Enthüllungen der Wochenzeitung "Expresso" im November 2002 und hielt das Land bis zum Ende des Prozesses in Atem. Insgesamt wurden in dem vermutlich längsten Prozess in der Geschichte Portugals mehr als 800 Zeugen und Experten angehört, darunter auch 32 der mutmaßlichen Opfer. Sie berichteten von Vergewaltigungen durch Erwachsene in dunklen Kellern und während nächtlicher Autofahrten zu abgelegenen Häusern. Den Beschuldigten drohen Haftstrafen bis 25 Jahre.