Münchner Bilderfund Gurlitt will seinen Kunstschatz nicht aufgeben

Cornelius Gurlitt lebte völlig abgeschottet, bis er zum Mittelpunkt einer NS-Raubkunst-Affäre wurde. Jetzt äußert sich der 80-Jährige zum ersten Mal. Freiwillig will er die Bilder nicht zurückgeben.

Cornelius Gurlitt ist ein scheuer Mann. Jahrzehntelang lebte 80-jährige Kunsthändlerssohn abgeschieden in seiner Münchner Wohnung. Alleine fühlte sich Gurlitt trotzdem nicht: Matisse, Dix, Liebermann, Delacroix - sie waren doch alle bei ihm. Bis am 28. Februar 2012 fremde Menschen in sein Leben brachen - und über einen Kunstschatz unermesslichen Wertes stolperten.

Die Fahnder nahmen alles mit: Viele der 1280 Gemälde und Grafiken stehen unter dem Verdacht, in der Nazi-Zeit jüdischen Eigentümern entwendet worden zu sein. Gurlitt blieb allein zurück, bis die Geschichte vor wenigen Wochen publik wurde. Seitdem ist Gurlitt ein gefragter Mann - doch reden möchte er nicht.

Dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" gegenüber hat Gurlitt nun sein Schweigen gebrochen - und erklärt, dass er seine Bilder behalten will. "Freiwillig gebe ich nichts zurück, nein nein", sagte der 80-Jährige im Gespräch mit einer Journalistin. Die Justiz ermittelt gegen ihn wegen Steuerhinterziehung und Unterschlagung.

Gurlitt sieht sich im Recht

Die Vorwürfe gegen ihn weist Gurlitt zurück. Die Kunstwerke, die in seiner Wohnung sichergestellt wurden, habe sein Vater rechtmäßig erworben. Die Justiz und die Öffentlichkeit würden alles falsch darstellen. Der Staatsanwaltschaft habe er schon genug Belege geliefert, die ihn von jedem Verdacht entlasteten, betonte der Sohn des 1956 verstorbenen Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt. Der Vater hatte unter den Nazis mit Bildern gehandelt, die heute als Raubkunst gelten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durchlief er erfolgreich ein Entnazifizierungsverfahren, wurde 1948 Leiter des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf.

Der "Spiegel" zeichnet das Bild eines Mannes, der sich sein Leben lang von Menschen isolierte, ein zurückgezogenes Leben mit "seinen Bildern" führte. Für Behördendeutschland existierte Gurlitt praktisch gar nicht: Er habe weder Rente erhalten, noch jemals eine Kranken- oder Sozialversicherung besessen. Besuche beim Arzt habe der Mann stets in bar bezahlt.

"Mehr als meine Bilder habe ich nichts geliebt"

Von der öffentlichen Debatte um ihn zeigt er sich schockiert: "Ich bin doch nicht Boris Becker, was wollen diese Menschen nur von mir?" Die Familiensammlung, die ihm per Erbe zugefallen war, sei sein Lebensinhalt gewesen: "Mehr als meine Bilder habe ich nichts geliebt", sagte Gurlitt dem Nachrichtenmagazin. "Die hätten doch warten können mit den Bildern, bis ich tot bin."

Laut einem "Focus"-Bericht wollen Mitarbeiter des Kanzleramtes und der bayerischen Justiz Gurlitt dazu bewegen, die Bilder freiwillig dem Staat zu überlassen. Im Gegenzug könne das Ermittlungsverfahren eingestellt werden. Eine "Vertrauensperson" solle an Gurlitt herantreten und an seine Verantwortung appellieren.

Hauptwohnsitz lag in Salzburg

Allerdings gestalten sich die Steuerermittlungen sehr schwierig und müssen möglicherweise ohnehin eingestellt werden. Wie die "Süddeutsche Zeitung" aus bayerischen Behörden erfuhr, soll Gurlitt in Österreich für "bescheidene Einkünfte" Steuern gezahlt haben. Das österreichische Melderegister führe ihn mit Hauptwohnsitz in Salzburg.

Aus Sicht der Augsburger Staatsanwaltschaft könnte der deutsche Fiskus trotzdem für Gurlitt zuständig sein. "Steuerlich relevant ist nicht der Wohnsitz, sondern der Lebensmittelpunkt und für bestimmte Steuern nicht einmal der", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz am Samstag auf Anfrage. "Die deutsche Ermittlungszuständigkeit im konkreten Fall beruht auf dem (...) Verdacht, dass in Deutschland ein dem Steuergeheimnis unterliegender strafbarer Sachverhalt verwirklicht wurde."

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jwi/DPA

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