Seine Nachbarn beschreiben ihn als geistig verwirrt und aggressiv. Er sei nicht ansprechbar gewesen, habe aber oft mit sich selbst geredet, sagt Edith Becker aus dem 15. Wiener Bezirk. Eine andere Anwohnerin der Reichsapfelgasse habe deshalb oft Angst um ihre jugendliche Tochter gehabt. "Der junge Mann war offensichtlich nervenkrank, er hätte direkt in Behandlung gehört", sagt eine weitere Nachbarin. Mal hätte er bei den anderen Hausbewohnern geklingelt und um Geld gebettelt, mal vor der Haustür gegen parkende Autos getreten. Sie habe die Männer fast täglich streiten hören. Wegen Schulden, heißt es. Auch am vergangenen Sonntag war es wieder laut.
"Schauen Sie, was da passiert ist"
Der Streit zwischen dem 19-jährigen Robert A. und seinem 49 Jahre alten Mitbewohner Josef S. endete in einem grausigen Blutbad. Am Dienstagmorgen, um kurz vor 8 Uhr, habe der Teenager mit deutschem Pass die Putzfrau mit den Worten "Schauen Sie, was da passiert ist" in eines der beiden Schlafzimmer ihrer Sozialunterkunft geschickt. Was die Reinigungskraft sah, muss entsetzlich gewesen sein: Nackt und blutüberströmt lag Josef S. da. Sein Körper aufgeschlitzt und ausgeweidet. Die Innereien, so die Polizei, seien angerichtet gewesen wie bei einer Mahlzeit. Teile des Gehirns befanden sich auf einem Teller. Der junge A. empfing die Putzfrau mit blutverschmiertem Mund.
Als die Polizei wenig später an den Tatort kam, soll der 19-Jährige "einen ruhigen, aber labilen Eindruck gemacht haben", so Ermittler Gerald Höbarth. Und wortkarg sei er gewesen. "Wir haben drei Tage lang einen Kampf gehabt" - mehr soll A. nicht gesagt haben. Ersten Erkenntnissen zufolge sei das Opfer schon ein, zwei Tage tot gewesen, bevor es entdeckt wurde. "Gestern ist der Junge hier noch ein- und ausgegangen, als sei nichts gewesen", sagt Nachbarin Edith Becker am Nachmittag nach dem Verbrechen.
Vorwurf des Kannibalismus steht im Raum
Die Frage, ob der Teenager nun, blutverschmierter Mund hin oder her, die Innereien gegessen habe, will die Polizei nicht beantworten. Der Vorwurf des Kannibalismus aber steht im Raum und wegen des sehr schwerwiegenden Tatverdachts bleibt A. in Untersuchungshaft. Die erste Obduktion der Leiche hat nichts über den genauen Todeszeitpunkt ergeben, nur dass Josef S. mit einer Zehn-Kilo-Hantel erschlagen wurde und offenes Brust-Trauma aufweist.
Das Opfer und der Täter wohnten in einer Notunterkunft für verhaltensauffällige Menschen. Die Wohnung wurde von einem freiberuflichen Sozialarbeiter betreut. S. galt als freundlich und zurückhaltend. Er habe wenig gesprochen, aber immer freundlich gegrüßt. Seine Tage soll er ins Leere starrend auf Parkbänken verbracht, sagen die Nachbarn. Nur mit Robert A. habe er regelmäßig gestritten. Nach Aussage des Betreuers hat es keine Anzeichen für die Tat gegeben: "Wenn wir das in irgendeiner Form gesehen hätten, hätten wir die Person früher absentiert (isoliert, d. Red)."
Weil der Verdächtige auch in Untersuchungshaft weiter schweigt, suchen die österreichischen Behörden nun im Raum Köln nach seinen Verwandten. Der Jugendliche ist zwar in Österreich aufgewachsen, ist aber deutscher Staatsbürger. Deswegen ist nun die deutsche Botschaft eingeschaltet worden. "Er ist vollkommen unkooperativ", sagt Gerald Höbarth. In den nächsten zwei Tagen soll er erneut vom Untersuchungsrichter vernommen werden.