Die Familie des von Oscar Pistorius erschossenen Models Reeva Steenkamp hat verlangt, dass der südafrikanische Paralympics-Star die Tat im Gefängnis büßt. "Herr Pistorius muss für das bezahlen, was er meiner Familie angetan hat", sagte am Donnerstag eine Cousine der Getöteten. Sie äußerte sich im südafrikanischen Pretoria bei der gerichtlichen Anhörung zum Strafmaß für den bereits wegen fahrlässiger Tötung verurteilten Sportler. Mit dieser Anhörung war der Prozess gegen Pistorius am Montag in seine Schlussphase getreten.
Der heute 27-Jährige an den Unterschenkeln amputierte Sportler hatte seine 29-jährige Freundin Reeva Steenkamp im Februar 2013 in seinem Haus bei Pretoria durch eine geschlossene Toilettentür erschossen. Er beteuerte, sie mit einem Einbrecher verwechselt zu haben und bestreitet bis heute, dass er seine Freundin töten wollte.
Als Strafmaß hatte eine von der Verteidigung beauftragte Gutachterin Hausarrest in Kombination mit gemeinnütziger Arbeit empfohlen. Das sei keineswegs angemessen, sagte die Vertreterin der Familie.
Richterin Thokozile Masipa muss nach Anhörung aller Argumente über die Strafe entscheiden. Sie könnte nach südafrikanischem Recht bis zu 15 Jahre Haft betragen. Möglich wäre aber auch, dass Pistorius mit Hausarrest davonkommt. Wann die Richterin ihre Entscheidung bekanntgibt, blieb weiter unklar. Zuletzt wurde vermutet, das könne an diesem Freitag geschehen.
Auf Geldzahlungen von Pistorius sowie auf eine mögliche Zivilklage wollen Reeva Steenkamps Eltern verzichten. Das hatte Barry und June Steenkamps Anwalt, Petrus de Bruyn, am Mittwoch am Rande des Prozesses mitgeteilt. Pistorius habe von März 2013 bis September 2014 monatlich 6000 Rand (rund 430 Euro) an Steenkamps Eltern überwiesen. Die Familie habe aber entschieden, das Geld zurückzugeben und auch sonst auf etwaige Schadensersatzforderungen oder Zivilklagen zu verzichten, so der Jurist.
Die Überweisungen waren am Dienstag erstmals öffentlich geworden, nachdem die Steenkamps nach eigenen Angaben die Zahlungen auf Pistorius' Wunsch hin geheim gehalten hatten. Ein Bewährungshelfer hatte die freiwilligen Zahlungen als Zeichen ernsthafter Reue des Angeklagten interpretiert, was für ein milderes Strafmaß sprechen würde.
Staatsanwalt Gerrie Nel dagegen bezeichnete ein Angebot von Pistorius' Verteidigung über die Zahlung von insgesamt 375.000 Rand Schmerzensgeld an Steenkamps Familie als "Blutgeld".
Wie Steenkamps Familie besteht Staatsanwalt Nel darauf, dass der ehemalige Vorzeigesportler trotz seiner Behinderung eine Haftstrafe erhält. Selbst im Rollstuhl wäre er dazu in der Lage, hatte der Chefankläger am Mittwoch gesagt.
Schutzlos in der Haft?
"Auch andere Behinderte absolvieren Haftstrafen", so Nel. Es bestehe keine Gefahr, dass jemand Pistorius die Beinprothesen wegnehmen würde. Der Staatsanwalt kündigte die Befragung von Zeugen an, die bestätigen könnten, dass Behinderte im südafrikanischen Strafvollzug angemessen behandelt werden können.
Zuvor hatte eine von der Verteidigung beauftragte Gutachterin erklärt, der beidseitig beinamputierte Sportler wäre schutzlos der notorischen Gewalt unter Häftlingen ausgeliefert.