Prozess um Tod eines 15-Jährigen "Sie kehrten nicht zurück, um nach ihm zu sehen"

Die tödlichen Schüsse eines Polizisten auf einen 15-jährigen Schüler während einer Demonstration haben das Vertrauen der Griechen in ihren Staat erschüttert. Auch vor Gericht gab es tumultartige Szenen. Der Schütze wies jede Schuld von sich.

Der Tod des 15-jährigen Schülers Alexandros Grigoropoulos durch eine Polizeikugel löste in Griechenland eine Welle der Gewalt aus, am Freitag ist der Prozess gegen zwei Angeklagte mit teils tumultartigen Szenen fortgesetzt worden. Nachdem die Verhandlung am Mittwoch kurz nach dem Auftakt auf Antrag der Verteidigung vertagt worden war, sagten am Freitag der Hauptangeklagte sowie die Mutter des Opfers aus. Zwischen der Frau und den Verteidigern entbrannte dabei eine stürmische Debatte, wie griechische Medien berichteten. Erst einschreitende Sicherheitskräfte hätten die aufgebrachten Gemüter in dem Gerichtssaal in der Kleinstadt Amfissa beruhigen können.

Die Anwälte des Polizisten, der den Schüler am 6. Dezember 2008 in Athen erschossen hatte, gaben an, dass der 15-Jährige zusammen mit Hooligans an Ausschreitungen bei einem Wasserballspiel beteiligt gewesen sei. Die Mutter des Opfers unterbrach den Verteidiger lautstark und entgegnete, ihr Sohn habe nie etwas gegen die Polizei gehabt. "Im Gegenteil, mein Sohn empfand die Polizisten als Beschützer."

Ihr Sohn habe zudem einen völlig ruhiger Charakter gehabt, sagte die Frau weiter. Dagegen seien die Angeklagten - neben dem Todesschützen steht ein zweiter Polizist wegen Mittäterschaft vor Gericht - auf Streit aus gewesen. Ihr Sohn sei kaltblütig angeschossen worden. "Sie kehrten nicht zurück, um zu sehen wie es ihm geht und ihm zu helfen“, sagte die Mutter - "als ob man eine Kakerlake zertreten hätte."

In "ruhiger Verfassung" zur Pistole gegriffen

Zu Beginn des zweiten Verhandlungstages wurde am Morgen die Anklage verlesen. Daraufhin sagte der Hauptangeklagte Epameinondas K.: "Ich will der Mutter und mir auch Mut zusprechen, ich nehme den Tod eines Menschen nicht in Kauf", sagte der 39-Jährige. Die Schuld wies er von sich: "Ich übernehme keine Verantwortung für irgendjemandes Tod."

Die Anklage wirft K. Mord vor, die Verteidiger plädieren auf fahrlässige Tötung. Der Polizist sei mit Flaschen beworfen worden und habe dann Warnschüsse in die Luft abgefeuert. Das Opfer sei von einem Querschläger getroffen worden. In der Anklage heißt es, der Polizist habe trotz Rückzugsbefehlen seiner Leitzentrale "in ruhiger Verfassung" die Pistole gezogen und zwei Schüsse in Richtung des Opfers abgefeuert. Eine Kugel soll den Schüler tödlich verletzt haben.

Eine Welle der Gewalt

Der Fall war Auslöser einer Welle von Gewalt vor allem in Athen. Dutzende Geschäfte in der griechischen Hauptstadt wurden dabei von Vermummten zerstört, außerdem folgten Anschläge auf Polizeistationen und Banken. In der vergangenen Woche gab es einen Anschlag auf das Presseamt in Athen, zu dem sich nun eine Untergrundorganisation mit dem Namen "Revolutionäre Organisation 6. Dezember" bekannte.

Seit Montag sorgen mehr als 400 Polizisten für die Sicherheit in der 10.000-Einwohner-Stadt, rund drei Stunden Autofahrt entfernt von Athen. Der Prozess soll am Dienstag fortgesetzt werden. Juristen rechneten damit, dass er mehrere Monate dauern könnte.

AP · DPA
DPA/AP

PRODUKTE & TIPPS