Langzeithäftlinge können auch nach Jahrzehnten weiter eingesperrt bleiben, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Rückfallgefahr bestehen. Weder ihre Menschenwürde noch das Freiheitsgrundrecht würden dadurch verletzt, hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschieden. Allerdings müssen die Gerichte mit zunehmender Haftdauer eine vorzeitige Entlassung intensiver prüfen und nach Möglichkeit Lockerungen und Erleichterungen im Strafvollzug gewähren. Damit wies das Karlsruher Gericht die Verfassungsbeschwerden zweier wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilter Häftlinge ab. (Az: 2 BvR 578/02 u. 796/02 - Beschluss vom 8. November 2006)
Rückfallrisiko entscheidet
Einer der beiden Beschwerdeführer, inzwischen 62 Jahre alt, hatte 1970 in Mainz in einem Wohnhaus eine Mutter und deren Tochter erstochen und sitzt seither in Haft. Seit 1997 gilt seine Schuld als verbüßt, außerdem arbeitet er tagsüber als Freigänger außerhalb der Anstalt, ohne dass es zu Auffälligkeiten gekommen war. Allerdings diagnostizierten Sachverständige nach wie vor ein Rückfallrisiko. Ähnlich ist es im zweiten Fall: Der 1974 vom Schwurgericht Düsseldorf wegen Mordes an einer jungen Frau verurteilte 66-jährige Mann gilt nach wie vor als gefährlich. Der zunächst gewährte offene Vollzug wurde wieder rückgängig gemacht, weil er ein 13-jähriges Mädchen in ein Gespräch mit sexuellem Inhalt verwickeln wollte.
Nach den Worten des Zweiten Senats darf die Haft gegen rückfallgefährdete "Lebenslängliche" auch dann aufrecht erhalten werden, wenn die wegen der "besonderen Schwere der Schuld" gebotene Mindestverbüßungsdauer überschritten ist. "Es ist der staatlichen Gemeinschaft nicht verwehrt, sich gegen einen gemeingefährlichen Straftäter auch durch einen lang andauernden Freiheitsentzug zu sichern", heißt es in dem Beschluss. Ein nur theoretisches Rückfallrisiko reiche dafür aber nicht aus.
Auf Resozialisierung achten
Zugleich bekräftigten die Richter, dass die Vollzugsanstalten auch in diesen Fällen auf die Resozialisierung von Häftlingen hinwirken und ihnen damit eine konkrete Chance auf Freiheit gewähren müssten. Deshalb müsse regelmäßig geprüft werden, ob eine Entlassung möglich sei.
Nach einer bundesweiten Erhebung aus dem Jahr 2004 werden zu lebenslang verurteilte Häftlinge im Schnitt nach knapp 20 Jahren vorzeitig entlassen. In Einzelfällen kann die Haft aber auch mehr als vier Jahrzehnte dauern. Der bundesweit am längsten inhaftierte "Lebenslängliche", der wegen vierfachen Mordes verurteilte Heinrich Pommerenke, sitzt seit mehr als 47 Jahren in Baden-Württemberg ein. In Rheinland-Pfalz ist ein Häftling seit mehr als 46 Jahren, in Niedersachsen ein verurteilter Mörder seit 42 hinter Gittern. Im bayerischen Straubing sitzt ein Straftäter unter anderem wegen Mordes seit 41 Jahren im Gefängnis.