Uni-Massaker in USA War ein Liebesdrama Schuld?

Warum ist der 23-jährige Student Cho Seung Hui an der Virginia Tech Amok gelaufen? Erste Ermittlungen der Polizei haben ergeben: Eine Beziehungskrise könnte der Grund für das schlimmste Uni-Massaker in der Geschichte der USA gewesen sein.

Ein Liebesdrama war möglicherweise der Auslöser für das beispiellose Universitätsmassaker in den USA. Die Polizei verfolgte anscheinend nach einer ersten Schießerei in einem Wohnheim zunächst eine falsche Spur. Dabei hatte der 23-jährige Cho Seung Hui am frühen Montagmorgen seine Freundin und einen Mann erschossen, der den Streit schlichten wollte.

Rund zweieinhalb Stunden später brachte er in einem Hörsaalgebäude die anderen Menschen um. Nach den Ereignissen wurde erneut der Ruf nach einer Verschärfung der Waffengesetze laut.

Der 23-jährige Englisch-Student ist gebürtiger Südkoreaner. Er studierte an der Hochschule in Blacksburg Englisch und wohnte in einem Wohnheim auf dem Campus, hieß es bei der Universitätspolizei. Bevor er sich selbst richtete, tötete der junge Mann mindestens 32 Menschen und schoss etwa ein Dutzend weitere an, die meisten davon Studenten wie er.

Nun muss sich die Polizei fragen lassen, wie es kommen konnte, dass der Täter zwei Stunden nach seinen ersten tödlichen Schüssen in einem Universitätsgebäude noch einmal und noch grausamer zuschlagen konnte. Studenten und ihre Angehörigen werfen der Universitätsleitung zudem schlechtes Krisenmanagement vor.

Studenten wurden per E-Mail gewarnt

Ein erster Notruf war am Morgen um 07.15 Uhr aus dem Studentenwohnheim "West Ambler Johnston Hall" eingegangen, das nur etwa 800 Meter von dem Unterrichtsgebäude "Norris Hall" entfernt liegt, in dem der Täter die meisten seiner Opfer fand. Der junge Mann erschoss in dem von 900 Studenten belegten Heim einen Kommilitonen und eine weitere Studentin.

"Wir wussten von den Schüssen, aber wir dachten, der Vorfall ist auf diesen Ort begrenzt", räumt Universitätspräsident Charles Steger später ein. Er hatte seine rund 26.000 Studenten erst kurz vor dem zweiten Angriff des Täters per E-Mail gewarnt.

Der Killer zog wortlos von Klasse zu Klasse

Langsam klärt sich, was in den Morgenstunden des Montag passiert ist: Den Augenzeugen zufolge war es weniger ein Amoklauf als ein kaltblütig geplanter Massenmord. Der Mann verübte seine Tat wortlos, in großer Ruhe und geradezu systematisch. Er war offenbar gut vorbereitet und wusste, was er tat. Er ließ seinen Opfern keine Chance zur Flucht und hatte die Türen des Unterrichtsgebäudes, in dem er schießend von Kurs zu Kurs ging, mit eisernen Ketten versperrt.

Augenzeugen berichten, er sei etwa 1,80 Meter groß und ganz in Schwarz gekleidet gewesen. Angeblich trug er einen schwarzen Ledermantel und einen dunkelbraunen Hut. Die Polizei fand den Täter schließlich tot im zweiten Stock des Gebäudes, das er sich für seine Taten ausgesucht hatte.

"Ich versteckte mich unter dem Tisch"

Derek O'Dell nahm gerade an einem Deutschkurs teil, als die Tür aufging und der Student zunächst auf einen Kommilitonen und den Sprachlehrer schoss. Dann habe der Mann seine Waffe der Reihe nach auf fast alle anderen Kommilitonen in dem Raum gerichtet, erzählt O'Dell dem US-Nachrichtensender CNN. "Ich habe mich unter dem Tisch versteckt und er schoss nach und nach auf jeden in der Klasse", sagt er. "Es waren wahrscheinlich 15 bis 20 Leute da und er hat auf zehn bis 15 von ihnen geschossen." Der Student selbst erlitt eine Schusswunde am Arm.

"Dieser Typ hatte ein klares Ziel, er wollte jeden, der ihm vors Visier kam, töten. Es ging ihm nicht allein darum abzudrücken, er wollte sie töten." So beschreibt der Arzt Joseph Cacioppo seinen Eindruck. Er arbeitet in der Notaufnahme des Krankenhauses, in dem die Verletzten eingeliefert wurden. "Alle Opfer hatten mehrere Schusswunden", sagt Cadioppo. "Selbst diejenigen mit den leichtesten Wunden hatten mehrere Schüsse abbekommen."

Deutsche Gast-Studenten kommen mit dem Schrecken davon

Liviu Librescu stellte sich den Berichten zufolge dem Täter in den Weg und musste mit dem Leben dafür bezahlen. Sein Vater habe versucht, die Tür des Klassenzimmers zuzuhalten, damit seine Studenten Zeit für eine Flucht gewinnen, sagte der Sohn des Professors dem israelischen Rundfunk.

Noch Stunden nach der Tat suchen Angehörige und Kommilitonen verzweifelt Kontakt zu Vermissten. Psychologen stehen bereit, um die unter Schock stehenden Menschen zu betreuen. Sechs Austauschstudenten und Nachwuchswissenschaftler der Technischen Universität Darmstadt sind mit dem Schrecken davon gekommen: Alle seien wohlauf, teilt die deutsche Partner-Hochschule der Universität in Blacksburg mit. Die beiden Gast-Studenten aus Virginia werden den Angaben zufolge in Darmstadt besonders betreut.

Auch die 18-jährige Aimee Fausser hat das Massaker heil überstanden. Sie hatte sich am Morgen noch über die Einsatzwagen vor dem Wohnheim gewundert, in dem der Täter seine ersten Opfer erschossen hatte. "Ich dachte noch: seltsam. Aber dann bin ich ganz normal in den Unterricht gegangen", erzählt sie. "Im Nachhinein betrachtet war das keine gute Idee."

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AP/DPA/Reuters

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