Einstürzende Festival-Bühnen The Show must not go on

  • von Anna Miller
War der Bühnenkollaps bei den Festivals in Belgien und Indianapolis zu verhindern? Starke Unwetter sind im Sommer keine Seltenheit. Deutsche Festivalbetreiber wissen das - und sorgen vor.

Die Festivalwelt Belgiens trauert. Innerhalb von 24 Stunden schrieben sich auf Facebook 40.000 Menschen den Schock von der Seele, kondolierten den Angehörigen. Fünf Tote forderte ein plötzliches Unwetter, das am Donnerstag über das Festivalgelände des "Pukkelpop"-Festivals in Hasselt fegte und eine komplette Bühne umriss. Nur wenige Tage zuvor war bei Indianapolis in den USA ebenfalls eine Festivalbühne auf das Publikum gestürzt - fünf Menschen starben, über 40 wurden verletzt.

Wären solche Unglücke auch in Deutschland möglich? Solche Unwetter hat es auch auf deutschen Festivals schon gegeben. Während des Hurricane Festivals 2006 fiel sintflutartiger Regen. Binnen weniger Minuten war klar, dass das Festival abgebrochen werden musste. Mehr als 30.000 Besucher waren da noch auf dem Gelände. "Seither haben wir einen Notfallplan", sagt Folkert Koopmans, Geschäftsführer der FKP Scorpio Konzertproduktionen, dem größten Festivalveranstalter Deutschlands. "So krasse Unwetter, die plötzlich auftauchen, kenne ich erst seit ein paar Jahren", so Koopmans. Die Festivalveranstalter mussten also reagieren. Derzeit gilt: Übersteigt die Windstärke die Marke sieben, wird die Bühne geräumt. Die Besucher werden per SMS, Videoübertragung, Facebook und Durchsagen gewarnt. "Bisher ging alles gut", sagt Koopmans. "Aber auch bei uns kann so etwas wie in Belgien passieren."

"Das Pukkelpop ist absolut professionell"

Dass die Veranstalter in Belgien gepfuscht haben, kann er sich nicht vorstellen. "Das Pukkelpop ist eines der bestorganisierten Festivals überhaupt." Außerdem kämen die besten Bühnen der Welt aus Belgien. "Wenn die nicht mehr standhalten, dann weiß ich auch nicht."

Ähnlich sieht das der Produktionsverantwortliche des Hamburger Dockville-Festivals, Dirk Brecht. "Es gibt erfahrene und unerfahrene Veranstalter. Bei den erfahrenen ist klar: Ab Windstärke acht ist Schluss. Und die ziehen das auch durch, egal, wie voll der Platz ist", sagt Brecht.

Auch die Veranstalter des Dockville hatten dieses Jahr mit den Folgen des Regenwetters zu kämpfen. Die Bühne blieb aber auch im Schlamm stabil. "Das Betonfundament wiegt mindestens 20 Tonnen. Die gesamte Konstruktion ist bis Windstärke zehn gesichert", so Brecht. Bei Windstärke acht werde das Bühnenprogramm eingestellt. Der gesamte Aufbau ist baurechtlich geprüft. Vor Beginn des Festivals kontrollierte die Hamburg Port Authority zusammen mit Polizei und Feuerwehr den gesamten Bereich.

Sobald ein Sturm droht, Planen runter

Jedes Stahlgestell einer Festivalbühne ist mit Planen eingekleidet. Die Planen sind Windfänger und destabilisieren die Konstruktion. Deshalb gilt auf allen Festivals: Sobald ein Sturm droht, werden die Reißleinen an den Planen gezogen - binnen einer Viertelstunde ist die Bühne so vor dem Umsturz gesichert. Brecht: "Ich habe Bilder aus Indiana gesehen. Da waren die Planen nicht weggepackt. Das hätte nicht passieren dürfen."

"Der Veranstalter weiß grundsätzlich über den Wetterstand Bescheid", erläutert Brecht. "Wenn die Konzerte in vollem Gange sind, ist es eine schwerwiegende Entscheidung, alles abzubrechen. Der Wiederaufbau dauert mehrere Stunden." Da könne es passieren, dass der Veranstalter die Situation nicht ernst genug nimmt", meint der Dockville-Verantwortliche.

Unwetter lassen sich frühzeitig erkennen

Ist das möglicherweise in Hasselt passiert? Der Meteorologe Helmut Malewski vom Deutschen Wetterdienst (DWD) betont, dass ein Sturm nicht aus dem Nichts kommt. "Heute lassen sich solche Gewitterfronten eine Stunde im Voraus erkennen", sagt er. Auch die Intensität sei an den Abständen der Blitze abzulesen. "Das Gewitter in Belgien war frühzeitig erkennbar", so Malewski. In Deutschland stehen die großen Veranstalter in unmittelbarem Kontakt mit dem Wetterdienst. "Wenn da etwas auf uns zukommt, dann sagen wir: Leute, jetzt müsst ihr abbrechen!"

Anders als die Konzertveranstalter kann Wettermann Malewski aber nicht sehen, dass Intensität und Häufigkeit der Unwetter in den letzten Jahren zugenommen hätten. "Das Unwetter in Belgien ist ein kräftiges Sommergewitter, wie es sie jedes Jahr gibt - auch hier in Deutschland." Böen der Windstärke zwölf seien da nichts Ungewöhnliches.

Bauten in Deutschland in der Regel sicher

Technisch wäre es durchaus möglich, Bühnen zu bauen, die sogar Orkanen standhalten würden. "Die Eventtechnik ist aber eine mobile Technik. Es muss alles schnell gehen", sagt Dirk Brecht. Und da sind die Kosten ein wichtiger Faktor. "Da überlegt sich ein Veranstalter natürlich, ob er mehr Faktoren braucht als gesetzlich vorgeschrieben, denn das kostet."

Beim Tüv Rheinland macht man sich insgesamt wenig Sorgen. "Wir haben in Deutschland sehr strenge Auflagen", sagt Harald Becker vom Tüv. Die EU-Norm lege bereits fest, dass die Bauten sich selber tragen müssen und die Seitenplanen ab Windstärke acht runtergelassen werden müssen. "Eine solche Bühne muss bis Windstärke elf stehen", betont Dockvielle-Mann Becker. Das Verfahren sei so streng, dass es bisher sehr wenige Unfälle gegeben habe. "Die Leute können beruhigt sein. Die Bühnenbauten sind sicher."

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