Geisterschiff im Nordatlantik "Es ist eine verzwickte Lage"

Die "MS Lyubov Orlova" treibt ohne Besatzung auf Irland zu. Im Gespräch mit stern.de erklärt der Ozeanologe Brad de Young, warum das so gefährlich ist.

Was ist so schlimm daran, dass die "Lyubov Orlova" allein durchs Meer treibt?

Sie gefährdet den gesamten Schiffsverkehr. Das Verkehrsministerium (das das Schleppen von Neufundland in die Dominikanische Repuplik erlaubt hatte – Anmerkung der Red.) hat keine GPS-Geräte an Bord installiert. Wir wissen also nicht, wo das Schiff ist und können andere Schiffe im Nordatlantik nicht vor ihm warnen. Die gute Nachricht dabei ist: die "Lyubov Orlova" ist ein ziemlich großes Stahlschiff und einfach auf dem Radar zu erkennen.

Wie groß ist das Risiko für die Umwelt?
Das Schiff könnte sinken, höchstwahrscheinlich irgendwo bei den Britischen Insel, vielleicht vor Irland. Das Öl und alle anderen Flüssigkeiten wurden wahrscheinlich ausgepumpt, jedenfalls sollte das so sein. Wobei, das Schiff ist so heruntergekommen, dass einem Zweifel kommen.

Wie lange dauert der Weg von Neufundland bis in die Irische See?
Wochen oder sogar Monate, das hängt ganz vom Wetter und von der Route ab.

Könnte man das Schiff einfach vorher versenken?
Möglicherweise sinkt das Schiff sowieso von allein - oder die Marine versenkt es, weil es den Schiffsverkehr gefährdet. Das Verkehrsministerium hat es nur auf See gelassen, weil es meinte, sie würden sich nicht mehr um das Schiff kümmern müssen, wenn es erst in Internationalen Gewässern schwimmt. Sie haben behauptet, sie hätten es in einen kanadischen Hafen schleppen wollen - wenn das stimmt, sind sie jedenfalls in die falsche Richtung gefahren. Aber man muss zugeben: das Wetter war wirklich schlimm, der Wellengang ist schwer.

Will der Eigentümer das Schiff nicht retten?
Der Eigentümer hat nur rund eine Viertelmillion Dollar dafür ausgegeben. Deswegen extra einen Schlepper rauszuschicken, der es zurückholt, lohnt sich für ihn nicht. Es ist eine verzwickte Lage. Das Verkehrsministerium hätte nie zulassen dürfen, dass die "Lyubov Orlova" den Hafen verlässt.

Brad de Young

Der Ozeanologe lehrt an der Memorial University in St. John's in Kanada.

tso

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