Indien Nach der Geburt vertauscht, aber glücklich: Die ungewöhnliche Geschichte von Jonait und Riyan

Indien - Nach der Geburt vertauscht, aber glücklich: Die ungewöhnliche Geschichte von Jonait und Riyan
In Indien wurden zwei Kinder kurz nach der Geburt vertauscht - doch ihre vermeintlichen Eltern wollen sie behalten (Symbolbild)
© Anne-Sophie Bost / Picture Alliance
Durch einen Fehler werden Jonait und Riyan kurz nach der Geburt vertauscht. Knapp drei Jahre lang wachsen sie in der falschen Familie auf. Eigentlich. Denn für die Jungen ist an der unverhofften Konstellation nichts falsch. 

Jonait und Riyan haben eine ungewöhnliche Gemeinsamkeit: Sie haben eigentlich dieselben Eltern, obwohl sie von unterschiedlichen Eltern stammen. Denn die beiden Jungen, die mittlerweile knapp drei Jahre alt sind, werden kurz nach ihrer Geburt vertauscht. Zwei Jahre und neun Monate nach dem fatalen Fauxpas wird der Fehler durch einen DNA-Test amtlich, wie die BBC berichtet. Nur: Der interessiert die Kinder nicht. Sie wollen bei den Familien bleiben, die sie großgezogen haben. Der Beginn einer ungewöhnlichen Familiengeschichte.

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Der Tag des Tausches

Es ist der 11. März 2015, oder anders gesagt: der Geburtstag von Jonait und Riyan. Die Jungen kommen im Mangaldai Civil Hospital in Assam (Indien) auf die Welt, bringen jeweils 3,6 Kilogramm auf die Wage und werden im Abstand von nur fünf Minuten geboren - aber eben von unterschiedlichen Müttern. Offenbar werden die beiden von einer Krankenschwester verwechselt. Diese führt fälschlicherweise zusammen, was eigentlich nicht zusammen gehört. Jonait wird den Eltern von Riyan überreicht und umgekehrt. 

"Eine Woche später sagte mir meine Frau: 'Dieses Kind ist nicht unseres'", schildert Sahabuddin Ahmed der BBC. Der vermeintliche Vater von Jonait will seiner Frau erst nicht glauben, doch dann kommen auch bei ihm Zweifel auf. "Ich erinnerte mich an eine andere Frau im Krankenhaus, die ihm ähnlich sah", sagt seine Frau Salma Parbin. "Ich konnte es an seinen Augen sehen. Er hat schmale Augen, niemand in meiner Familie sonst hat welche."

Ein Brief ändert alles

Als der vemeintliche Vater von Jonait dem Krankenhaus den Verdacht seiner Frau mitteilt, winkt dieses ab - seine Frau habe wohl mentale Probleme und brauche psychiatrische Hilfe. Daraufhin reicht er laut BBC eine Petition ein und verlangt Auskunft über alle Kinder im Krankenhaus, die am 11. März 2015 gegen 7 Uhr geboren wurden. Einen Monat später bekommt er die erhofften Informationen, über sieben Frauen. Nachdem er die Aufzeichnungen studiert hat, entscheidet er sich, die Niederkunft einer Hindu-Frau genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Fremde brachte auch einen Jungen zur Welt, der 3,6 Kilogramm auf die Wage brachte und nur fünf Minuten später geboren wurde. Es war Jonait, sein Junge - aber das stellt sich erst später heraus.

"Ich habe zwei Mal ihr Dorf besucht", sagt Sahabuddin Ahmed der BBC. "Aber ich habe mich nie getraut, sie zu Hause aufzusuchen." Also habe er einen Brief geschrieben und seinen Verdacht geschildert, versehen mit seiner Telefonnummer und der Bitte um Rückruf. Die Adressierten, Anil und Shewali Boro, haben bis zu diesem Zeitpunkt keinen Verdacht geschöpft. Doch der Brief und ein anschließendes Treffen in dem rund 30 Kilometer entfernten Dorf hätten alles geändert.

"Wir sind anders"

"Als ich Jonait zum ersten Mal sah, erkannte ich seinen Vater wieder. Ich war sehr traurig und weinte", schildert seine biologische Mutter Anil, die gemeinsam mit ihrem Mann aber Riyan großzog. Sie gehören zur ethnischen Gruppe der Bodo in Nordindien. "Unsere Augen neigen nach oben. Wir sind anders. Wir haben mongolische Features", so die Hindu-Frau. Auch Salma Parbin, die von Anfang an einen Verdacht schöpfte, erkannte in Riyan ihr Kind wieder. Und wollte den Tausch der beiden Jungen sofort durchziehen. 

Doch die schockierten Eltern einigten sich auf den offiziellen Weg. Es kommt zu zahlreichen DNA-Tests, die die folgenreiche Verwechslung bestätigen - vor Gericht halten diese allerdings nicht stand, wird den Eltern oftmals mitgeteilt. Laut der "BBC" kommt es zu Ermittlungen, Beamte besuchen die Familien und rekonstruieren den Fall. Im November vergangenen Jahres der (erste) Durchbruch: Auch der DNA-Test eines forensischen Labors in Guwahati, der Hauptstadt des Bundesstaats Assam, bestätigt den Verdacht des Kindertauschs. Die Familien sehen sich am Ziel.

Eine filmreife Familiengeschichte in Indien

Bis sie schließlich im Januar diesen Jahres vor Gericht erscheinen. "Der Richter teilte uns mit, dass wenn wir die Kinder tauschen wollen, wir es tun könnten", so Sahabuddin Ahmed - der vermeintliche Vater von Jonait. "Aber wir lehnten ab."

Sie konnten die Kinder nicht einfach gehen lassen, ergänzt seine Frau Salma Parbin. "Wir haben sie drei Jahre lang großgezogen." Darüber hinaus haben sowohl Jonait als auch Riyan geweint; sich geweigert, ihre Familien zu verlassen. Auch der Rest der Familie(n) weigerte sich, die Kinder sozusagen zurückzutauschen. 

Wenn Jonait und Riyan alt genug sind, dürfen sie entscheiden, wo sie aufwachsen wollen, so die Familien. Nun wolle man sich erst einmal in regelmäßigen Abständen treffen, sich anfreunden, damit man auch die biologischen Kinder hin und wieder sehen könne.

Sahabuddin Ahmed und seine Frau sind Muslime. Ob die unterschiedlichen religiösen Hintergründe irgendwann einmal zum Problem für die vertauschten Kinder werden könnten, will die BBC wissen? "Ein Kind ist ein Kind", sagt Sahabuddin Ahmed. "Es ist ein Geschenk Gottes, es ist kein Hindu oder Moslem. Jeder kommt von der selben Quelle, dem selben Design. Sie werden erst hier zu Hindus oder Moslems."

fs

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