Wie die Zeitung "Globe and Mail" berichtete, hätten Zeugen den Schützen als einen 25-jährigen Mann aus dem Norden von Montreal identifiziert. Einige Zeitungen veröffentlichten Fotos, die den jungen Mann in schwarzer Kleidung und mit einem langen Gewehr im Arm zeigen. Der Täter hatte nach Augenzeugenberichten eine Irokesenfrisur und zahlreiche Piercings.
Der Todesschütze sei mit seinem Auto, einem Pontiac Sunfire, zum Dawson College gefahren, habe Waffen aus seinem Kofferraum geholt und sei in das Gebäude gegangen. Außer dem Gewehr habe er mindestens zwei Waffen in einer Tasche bei sich gehabt, berichtet die Zeitung. Ein Polizeibeamter habe ihn beobachtet und sofort Verstärkung gerufen. "Es hätte alles noch viel schlimmer werden können, aber die Polizei war schon drei Minuten, nachdem die Schießerei begonnen hatte, am Tatort", sagten Augenzeugen. Der 25-Jährige hatte sich anschließend selbst erschossen.
Aus Sicht der Polizei scheint der Hergang relativ klar: "Der erste Polizist am Tatort schoss in Richtung des Verdächtigen und der Verdächtige starb", sagte der Polizeichef von Montreal, Yvan Delorme. Doch zunächst hatte es über den Hergang und das Ausmaß des Amoklaufs widersprüchliche Angaben. So hatten Medien zuvor berichtet, es seien vier Menschen getötet worden. Die Polizei sprach anfangs auch von möglicherweise mehreren Attentätern. Ein Fernsehsender berichtete außerdem, ein Täter habe seine Waffe gegen sich selbst gerichtet und sich getötet. Ein Zweiter sei von der Polizei erschossen worden.
Augenzeugen berichteten, der Mann mit einem Irokesenhaarschnitt habe zur Mittagszeit schon vor dem Gebäude geschossen und sei dann durch den Haupteingang in das College gegangen. In der Cafeteria im zweiten Stock feuerte er zahlreiche Schüsse ab. Der Schüler Devansh Smri Vastava sagte, der Täter sei mit einem großen Gewehr bewaffnet gewesen. Er habe etwa 20 Schüsse gehört. "Er hat einfach wahllos auf Leute geschossen", sagte er. "Ich hatte panische Angst."
"Er hat alles zusammengeschossen"
Polizisten lieferten sich mit dem Amokläufer ein Feuergefecht, während Schüler sich Schutz suchend auf den Boden warfen oder ins Freie rannten. Der 19-jährige Derick Osei berichtete, er sei die Treppe hinabgegangen, als er einen Mann mit Gewehr gesehen habe. "Er hat alles zusammengeschossen. Ich bin in den dritten Stock gerannt und schaute nach unten, und er hat immer noch geschossen", berichtete Osei. "Er versteckte sich hinter den Verkaufsautomaten und kam mit einem Gewehr heraus und legte an und zielte auf mich. Dann rannte ich die Treppe hoch. Ich sah ein Mädchen, dem ins Bein geschossen wurde."
Ein Sondereinsatzkommando durchsuchte das College mit Hunden nach Opfern. Die meisten der Schüler hätten das Gelände verlassen. Auch zwei nahe gelegene Einkaufszentren und eine Kindertagesstätte wurden evakuiert. 20 Verletzte wurden in Krankenhäuser eingeliefert, eine Frau erlag dort ihren Verletzungen, wie die Polizei mitteilte.
Erinnerungen an Columbine
Der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper sprach von einem feigen und sinnlosen Akt der Gewalt. Die Schießerei weckte Erinnerungen an das Massaker an der Columbine High School im US-Staat Colorado, wo 1999 zwei Schüler, die ebenfalls Trenchcoats trugen, 13 Menschen und dann sich selbst töteten.
In dem auf einem 4,8 Hektar großen Gelände gelegenen Dawson College werden rund 10.000 Schüler unterrichtet. Die 1969 gegründete englischsprachige Einrichtung - die größte derartige in der kanadischen Provinz Quebec - ist zugleich Oberstufen- und Berufsschule. Der bislang folgenschwerste Amoklauf in Kanada ereignete sich 1989 ebenfalls in Montreal. Damals tötete ein Schütze in einem Polytechnikum 14 Frauen. Die Tat führte zu einer Verschärfung der kanadischen Waffengesetze. 1992 erschoss ein Professor der Concordia Universität in Montreal vier Kollegen.