Für Protestaktionen reist Marina Hagen-Canaval regelmäßig von West nach Ost – aus Vorarlberg nach Wien. Im Januar und Februar behinderte die Klimaaktivistin mit einer Sitzblockade den Verkehr, wurde dafür zweimal von der Polizei festgenommen und auf Waffen durchsucht. Dafür sollte sie auch ihre Unterhose ausziehen. Beim ersten Mal habe sie noch mitgemacht, beim zweiten Mal habe sie sich geweigert, schildert Hagen-Canval in einem Interview. Die Polizistin habe ihre Unterhose trotzdem heruntergeklappt. Acht weiteren Aktivisten sei es ähnlich ergangen, berichtet der Sender ORF unter Berufung auf die Letzte Generation.
Ein ebenfalls betroffener 24-jähriger Klimaaktivist hat im Frühjahr deshalb eine Maßnahmenbeschwerde beim Verwaltungsgericht in Wien eingereicht. Jetzt haben die Richter entschieden: Aktivisten völlig nackt zu durchsuchen, ist rechtswidrig. Der Klimaaktivist habe die Regeln des Versammlungsgesetzes geringfügig übertreten und sei deshalb widerstandslos festgenommen worden. Bei einer ersten oberflächlichen Durchsuchung vor Ort seien "keine bedenklichen Gegenstände", entdeckt worden. "Es lag kein Anlass vor (...), dass der Beschwerdeführer gefährlich sei", heißt es in dem Gerichtsentscheid. Es gab also keinen Grund, den Aktivisten nackt zu durchsuchen, urteilen die Richter.
Das Verwaltungsgericht Wien bezog sich dabei auf die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Nacktdurchsuchungen sind demnach erlaubt. Allerdings nur um zu verhindern, dass der Festgenommene flüchtet und andere Personen verletzt. Auch wenn der Verdacht besteht, dass die Person sicherheitsgefährdende Gegenstände bei sich trägt, die wegen ihrer Größe übersehen werden können, dürfen Beamte die Person dazu auffordern, ihre Kleidung vollständig abzulegen. Ist das Gefährdungspotenzial gering, sei die Maßnahme "grundsätzlich unverhältnismäßig".
Klimaaktivistin Hagen-Canaval sprach von "reiner Demütigung" durch die Beamten. "In meinen Tanga passt einfach keine Schusswaffe oder Machete rein."
Klimaaktivisten über Urteil erleichtert
"Wenn eine Person nur eine Sitzblockade macht oder bei einer Klimaklebeaktion teilnimmt, dann ist da meiner Meinung nach kein Grund, davon auszugehen, dass da gefährliche Gegenstände vorhanden sein könnten. Und dann ist eine so intensive Besichtigung des unbekleideten Körpers meines Erachtens klar rechtswidrig", sagte Rechtsanwalt Clemens Lahner dem ORF.
Sein Mandant zeigte sich erfreut über das Gerichtsurteil und betonte: "Wir sind keine Verbrecher, die gefährliche Gegenstände mit uns führen." Er habe sich damals geweigert, seine Unterhose auszuziehen. Nach einer Diskussion hätte der Beamte einen Kollegen geholt, der sich schon die Handschuhe überzog. Aus Angst vor Gewalt habe der Aktivist seine Unterhose freiwillig ausgezogen.
Laut Polizei gehörten solche Durchsuchungen zum "Standardprozedere". Eigen- oder Fremdgefährdung seien im Vorfeld nie auszuschließen, sagte der damals zuständige Polizist. "Es hätte sein können, dass sich jemand bei uns im Polizeianhaltezentrum anklebt, und das brauchen wir nicht."
Rechtsanwalt Lahner sprach von einem Präzedenzfall, der klarstellt, "dass gewaltfreier Protest keine entwürdigende Behandlung rechtfertigt".
Quellen: OE24 TV, ORF, "Der Standard", Letzte Generation.at