Es gibt kaum eine Organisation, die in den USA umstrittener ist als die NRA – die National Rifle Association (Nationale Schusswaffenvereinigung). Es gibt aber auch kaum eine, die mehr Einfluss auf Politik und Gesellschaft hat, da in den Vereinigten Staaten das Recht auf Besitz einer Schusswaffe tatsächlich in der Verfassung festgeschrieben ist. In nahezu allen anderen Ländern eine absurde Vorstellung.
Wie gefährlich der kaum regulierte Waffenbesitz ist, zeigt sich in den USA bedauerlicherweise regelmäßig bei Amokläufen und Schulschießereien. In Uvalde, Texas, starben kürzlich 19 Grundschulkinder und drei Erwachsene. Seither steht die Waffenlobby mehr denn je in der Diskussion. Ausgerechnet kurz nach dem tragischen Amoklauf in Uvalde stand allerdings die NRA-Jahresversammlung an, und das auch noch in Texas. Bei dem mehrtägigen Treffen in Houston waren zynischerweise Waffen verboten.
Die NRA ist derzeit umstritten wie nie
Die Versammlung war in diesem Jahr von Anfang an von Protesten umgeben. Innerhalb der Räumlichkeiten jedoch waren diejenigen, die den Waffenbesitz befürworten, zumeist unter sich. Bis ein junger Mann bei einer Podiumsdiskussion mit dem NRA-Vorsitzenden Wayne LaPierre aufstand und sich zu Wort meldete. Anfangs klang es, als würde einfach ein weiterer Waffenfreund seine Meinung kundtun und sich über die Kritik von außen beschweren. Doch schnell spürten die Anwesenden, dass etwas nicht stimmte – und auch LaPierre auf der Bühne wirkte plötzlich irritiert.
"Mein Name ist Jason Selvig und ich komme aus West Palm Beach in Florida. Ich möchte sagen, dass ich die Schnauze voll habe von den linken Medien, und ehrlich gesagt auch den Leuten hier im Raum, die Falschinformationen über Wayne LaPierre verbreiten, immer wenn es eine Schießerei gibt", sagte der junge Mann. "Alle sagen sie, dass Wayne LaPierre nicht genug tun würde, um Massenschießereien zu verhindern, oder sogar, dass er eine Mitschuld daran hätte, dass die Täter an Waffen kommen."
Immer wieder Massenschießereien
Solche Vorwürfe habe es, so zählt Selvig auf, "nach Las Vegas, nach dem Pulse Nightclub in Orlando, nach Columbine, nach Parkland, nach Virginia Tech, nach El Paso, nach Buffalo" gegeben. Eine schmerzhafte Auflistung vieler furchtbarer Attentate. Sarkastisch beendet er seine Ansprache: "Die NRA, unter der Leitung von Wayne LaPierre, hat jedoch immer Gedanken und Gebete für die Opfer und deren Familien übrig gehabt. Vielleicht würden diese Schießereien enden, wenn wir alle ein bisschen mehr denken und beten würden? Ich bitte Sie alle hier im Raum, zu denken und zu beten, Gedanken und Gebete zu spenden und ein paar Gedanken und Gebete für die Opfer übrig zu haben."
"Wir denken an euch und beten für euch" – das war immer wieder die Reaktion von Vertretern der Waffenlobby, wenn bei einer großen Schießerei viele Menschen ihr Leben lassen mussten. Denn Gedanken und Gebete fordern keine Veränderungen, keine neuen Gesetze und keine Einschränkungen – sie helfen allerdings den Opfern und deren Angehörigen auch kein Stück. Ein heuchlerischer Satz. Darauf machte Selvig mit seinem bissigen Auftritt bei der Versammlung aufmerksam.
Seine kurze Ansprache und die verlegene Reaktion der Anwesenden und des Vorsitzenden wurden auf Video festgehalten. Seither haben es bereits fast 27.000 Menschen gesehen, die meisten loben den Comedian für die Aktion.