Hohe Impfquote, wenig Fälle Morschyn und Corona – wie ein kleiner Kurort in der Ukraine zum Modell für den Rest des Landes wurde

Der Kurort Morschyn in der Ukraine
Der Kurort Morschyn in der Ukraine (hier ein Blick auf die berühmte Trinkhalle) ist umgeben von Wäldern und bekannt als einer der besten balneologischen Kurorte der Ukraine
© ihorhvozdetskiy - Adobe Stock
Die Ukraine hat eine der niedrigsten Impfraten in Europa. Doch der kleine Kurort Morschyn widersetzt sich dem Trend. Mehr als 70 Prozent der Erwachsenen sind vollständig geimpft – weshalb die Stadt als Vorbild für den Rest des Landes dient.

Fast täglich verzeichnet die Ukraine mit einer der niedrigsten Impfraten in Europa und einem angeschlagenen und unterfinanzierten Gesundheitssystem neue Rekorde bei Coronavirus-Infektionen und Todesfällen. Doch eine kleine Stadt im Westen des Landes fällt aus der Reihe. In dem kleinen Kurort Morschyn gibt es kaum Corona-Fälle. Während die ukrainischen Behörden neue Restriktionen verhängen und die Region um Morschyn zur "roten Zone" erklärt haben, geht das Leben in der Stadt im Karpatenvorland unbeirrt weiter. Ihr Geheimnis: Massenimpfungen und das strikte Einhalten von Hygienemaßnahmen.

Morschyn ist bekannt für seine gute Waldluft, die Heilbäder und mineralhaltigen Quellen der Umgebung, weshalb jedes Jahr Zehntausende Menschen hierher strömen, um Heilung zu suchen. Rund 74 Prozent der insgesamt 5690 Einwohner sind geimpft. Und alle halten sich an die Maßnahmen: Sie tragen Masken, halten sich sozial fern und lassen sich häufig impfen. Auch die geringe Bevölkerungsdichte der Stadt – die Häuser liegen inmitten von Parks und Plätzen – trägt dazu bei, dass die Stadt brummt und die Menschen arbeiten können. Für Kurgäste gilt die 3G-Regel.

Bürgermeister von Morschyn bangte um seine Stadt

Der Bürgermeister Ruslan Ilnytsky gehörte zu den ersten, die sich haben impfen lassen. Ausschlaggebend war für ihn, dass die Stadt während einer landesweiten Abriegelung im Frühjahr einen schweren wirtschaftlichen Schlag erlitten hatte, als alle Bäder geschlossen wurden. Damals sei ihm klar geworden, dass Morschyn eine weitere Schließung wahrscheinlich nicht überleben würde. Im April startete er ein Pilotprojekt zur Massenimpfung der Erwachsenen, um Herdenimmunität zu erreichen – und in Erwartung einer neuen Infektionswelle, da die Menschen aufgrund des kalten Wetters gezwungen waren, sich in den Häusern aufzuhalten. Bis zur Ausbreitung der hochansteckenden Delta-Variante des Coronavirus' gab es in Morschyn lange Zeit keine Corona-Infizierten.

Symbolfoto für Artikel über Morschyn: Eine Frau setzt in Kramatorsk, Ukraine, eine Impfspritze
Eine Mitarbeiterin des Gesundheitswesens setzt eine Impfspritze: Nur knapp 29 Prozent der 41 Millionen Einwohner in der Ukraine sind bislang vollständig geimpft. Nur der Kurort Morschyn fällt mit einer Impfquote von 74 Prozent aus der Rolle
© Andriy Andriyenko / Picture Alliance

In den vergangenen sechs Monaten wurde hier kein einziger Covid-19-Todesfall gemeldet, weshalb die Stadt von den ukrainischen Behörden als Modell für den Rest des Landes angepriesen wird. "Nach den Massenimpfungen in Morschyn gab es dort keine schwer erkrankten Coronavirus-Patienten mehr", sagte der ukrainische Gesundheitsminister Viktor Lyashko. "Es gab einen Bericht über einen einzigen Krankenhausaufenthalt und diese Person war nicht geimpft."

96 Prozent der Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf nicht geimpft 

Obwohl in der Ukraine mit Pfizer-BioNTech, Moderna, AstraZeneca und Sinovac vier Impfstoffe erhältlich sind, sind nur 29 Prozent der rund 42 Millionen Einwohner vollständig geimpft. Das Gesundheitsministerium berichtet, dass 96 Prozent der Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf nicht geimpft wurden.

"Nicht nur die Immunisierung von zwei Dritteln der Bevölkerung, sondern auch die großen Entfernungen ermöglichen es den Menschen, sich nicht anzustecken", wird Dr. Gennady Yukshinsky, Chefarzt des Krankenhauses von Morshyn von der Nachrichtenagentur "The Associated Press" zitiert. "Die Tests sind weit verbreitet, und wenn eine Covid-19-Infektion festgestellt wird, isoliert sich diese Person freiwillig selbst und ist sich der Verantwortung gegenüber den anderen Bewohnern bewusst." Nach Angaben von Yukshinsky gab es Ende November lediglich 14 Krankheitsfälle in Morschyn, die alle mild verliefen.

Massenimpfungen in Morschyn verhinderten Arbeitsplatzverlust

Für die zögerliche Haltung im Rest des Landes gegenüber einer Impfung machen Ärzte das Misstrauen gegenüber der Regierung und die Unwahrheiten verantwortlich, die darüber verbreitet werden. Da heißt es zum Beispiel, dass Impfstoffe Mikrochips enthalten oder unfruchtbar machen würden. Um das Impfen voranzutreiben, hat die Regierung erst kürzlich eine Impfpflicht für Staatsangestellte zum 1. Dezember durchgesetzt. Mehrere Hundert Lehrer und auch Polizisten wurden deshalb bereits vom Dienst ohne Lohnfortzahlung freigestellt. Die Entscheidung hat Proteste in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ausgelöst, wo Tausende gegen die Beschränkungen protestierten.

Der ukrainische Gesundheitsminister Viktor Lyashko
Der ukrainische Gesundheitsminister Viktor Lyashko
© Serg Glovny / Picture Alliance

In Morschyn haben die Massenimpfungen die Einwohner vor dem drohenden Verlust ihres Arbeitsplatzes bewahrt, da die Zahl der Neuinfektionen im Herbst stark angestiegen ist. "Wir haben ein Pilotprojekt für die gleichzeitige Impfung der gesamten erwachsenen Bevölkerung gestartet", sagte Morschyns Bürgermeister Ilnytsky gegenüber "The Associated Press". "Hausärzte riefen die Bewohner an, luden sie persönlich zur Impfung ein und versicherten ihnen ihre Sicherheit. Ich glaube, das hat eine große Rolle gespielt."

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Yukshinsky, der Leiter des Morshyn-Krankenhauses, betonte ebenfalls die Bedeutung des persönlichen Ansatzes und fügte hinzu, dass "es einen großen Effekt hatte und die Menschen sich massenhaft impfen ließen."

Das unterscheidet sich deutlich vom Rest der Ukraine.

Quellen:  AP,  DPA,  ukrinform.de

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