Mysteriöses Geiseldrama Der gefährliche Bunkermann von Alabama

  • von Thomas Schmoll
Der Entführer des fünfjährigen Ethan ist offenbar ein seltsamer, brutaler Einzelgänger. Der Busfahrer, den er erschoss, um ein Kind zu entführen, wird als Held gefeiert.

Jimmy Lee Dykes ist einer von jenen Amerikanern, die jahrelang abgeschottet leben, keinerlei soziale Kontakte pflegen und den Nachbarn suspekt ist. Einer von denen, die die Regierung in Washington hassen und sich einen Bunker bauen für den Fall des Weltuntergangs oder anderer realer oder irrealer Gefahren. Einem Nachbarn zufolge fällte der Vietnam-Veteran Bäume auf seinem Gelände - vermutlich deshalb, um freie Sicht zu haben, sollte er angegriffen werden. Ronda Wilbur, die nach eigenen Worten ganz in der Nähe Dykes wohnt, berichtete mehreren US-Fernsehsendern, dass der merkwüdige Mann nicht einmal Tiere auf seinem Gelände geduldet habe. Mit einem Bleirohr habe er ihren Hund so heftig geschlagen, dass er an den schweren Verletzungen gestorben sei. Kurze Zeit später habe der 65-Jährige vor ihrem Ehemann mit der Tötung des Vierbeiners geprahlt und erklärt, so werde es jedem gehen, der sein Eigentum nicht respektiere.

Charles Poland war einer jener Amerikaner, der seine Frau, sein Land und seinen Job liebte, mit seinen Freunden gut auskam und geschätzt wurde. Sprechen Verwandte und Nachbarn über Poland, fallen Worte wie sanft, bescheiden, hilfsbereit, gläubig und freundlich - ganz besonders im Umgang mit seinen Schützlingen. Seit vier Jahren arbeitete Poland als Fahrer eines Schulbusses in Alabama. "Er war immer fröhlich und liebevoll zu den Kindern", sagte sein Schwager Melvin Skipper dem Nachrichtensender CNN. Seine Ehefrau Mary Janice Poland, mit der er 43 Jahre lang verheiratet mit ihm war, sagte der Lokalzeitung "Dothan Eagle": "Er liebte sie. Er liebte jeden. Und er wurde geliebt."

21 Kinder konnten flüchten

Vergangenen Dienstagnachmittag trafen Jimmy Lee Dykes und Charles Poland aufeinander. Seither wird der Busfahrer in seiner Heimat als Held gefeiert und Dykes als Mörder verachtet. Poland verhinderte, dass Dykes, der mysteriöse Kindesentführer von Alabama, noch mehr Unheil anrichten konnte - und zahlte für seinen Mut mit dem Leben. Poland, der ein Jahr älter war als Dykes, hielt den Angreifer nach Mitteilung der Polizei im vorderen Teil des Busses auf, während 21 Kinder durch die Hintertür entkamen. Der Fahrer habe sich geweigert, die Öffnung des Notausgangs zu blockieren, aus der seine Schützlinge flohen. Daraufhin schoss der Vietnam-Veteran sofort auf Poland. Vier Kugeln trafen ihn. Dykes griff sich zwei Kinder, die er noch erwischen konnte. Eines entkam. Den anderen Jungen, Ethan, ein fünfjähriger Autist, verschleppte er in den Bunker auf seinem Anwesen in Midland City. Die Ermittler vermuten, dass Ethan, dessen Nachname nicht veröffentlicht ist, entweder starr vor Angst war oder ohnmächtig wurde, nachdem Dykes den Bus überfallen hatte.

Seit Dienstag hat der 65-Jährige den Jungen in seiner Gewalt. Noch immer rätselt die Öffentlichkeit über das Motiv. Die Polizei hält sich bedeckt, will jedenfalls nicht über die Hintergründe spekulieren. Forderungen sind nicht bekannt. Unklar ist, ob der Entführer ein oder zwei oder noch mehr Kinder verschleppen wollte. Dykes soll sein Opfer nicht gekannt haben. Den Ermittlern zufolge ist keine Verbindung zwischen Täter und Opfer bekannt. "Wir haben keine Gründe zu glauben, dass das Kind verletzt wurde", sagte der Sheriff des Bezirks Dale County, Wally Olson, laut NBC. Bei dem Jungen sei das Asperger-Syndrom und das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität diagnostiziert worden. Der Bürgermeister von Midland, Virgil Skipper, sagte nach einem Besuch bei Vater und Mutter des Kindes: "Er weint nach seinen Eltern. Sie beten für ihn und bitten uns alle, es ebenso zu tun."

Ein Verschlag von 5 Quadratmetern

Pastor Michael Senn, der einen Steinwurf entfernt von dem Entführer wohnt, berichtete von der Vermutung, Dykes habe Proviant angehäuft, der für drei Wochen Aufenthalt in dem Bunker reichen könnte. Die Ausmaße des unterirdischen Verschlags werden in der US-Presse mit etwa 2,5 Meter Länge und und zwei Meter Breite angegeben. Die Luftzufuhr habe der Entführer aus PVC-Rohren gebaut. Michael Senn zufolge ließ die Polizei dem Entführer Medikamente, Lebensmittel und Buntstifte zukommen. "Sie sprechen regelmäßig über eine Leitung mit ihm", sagte der Geistliche.

Laut James Arrington, Polizeichef von Pinckard, sechs Kilometer von Midland City entfernt, reden speziell für solche Fälle ausgebildete FBI-Mitarbeiter mit Dykes. Nachts würden die Gespräche unterbrochen. Arrington zufolge setzen die Ermittler auf eine Zermürbungstaktik: "Sie lassen sich Zeit. Er tut vielleicht etwas Übles, wenn sie ihn bedrängen. Niemand weiß, wie viel Munition oder Bomben er bei sich hat." Gemeint ist damit auch: Nicht allein die Waffen sind ein Problem. Offenbar ist Dykes unberechenbar. Und das macht ihn umso gefährlicher.

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