Schärferes Gesetz Klinik verzichtet auf künstliche Befruchtung – weil Eizellen dort nun als Kinder zählen

Künstliche Befruchtung im Labor: Es besteht der Verdacht, dass der Reproduktionsmediziner in zahlreichen Fällen sein eigenes Sperma unter die Samenspenden mischte.
Bei der In-Vitro-Fertilisation werden befruchtete Eizellen teilweise vernichtet oder für Experimente benutzt
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Der US-Südstaat Alabama hat bereits harsche Abtreibungsgesetze, jetzt ist dort auch In-Vitro-Fertilisation de facto verboten. Grund: ein mit Bibelzitaten gespicktes Grundsatzurteil des obersten Gerichts.

Als Reaktion auf ein Urteil des höchsten Gerichts im US-Bundesstaat Alabama zu eingefrorenen Embryos hat die Universität von Alabama ihr Programm für künstliche Befruchtung in vitro (IVF) vorerst eingestellt. "Wir sind traurig, dass dies den Versuch unserer Patientinnen, durch IVF ein Baby zu bekommen, beeinträchtigen wird", erklärte die Universität. Die Entscheidung des Gerichts, "dass ein kryokonservierter Embryo ein menschliches Wesen ist", müsse evaluiert werden.

Droht künftig Strafe für künstliche Befruchtung?

Die Universität erklärte, sie müsse zunächst prüfen, ob "unsere Patientinnen und unsere Ärzte" für die standardmäßige Anwendung von IVF-Behandlungen "strafrechtlich verfolgt werden könnten".

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Im Labor produziert: So funktioniert In-vitro-Fleisch

Bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) werden menschliche Eizellen außerhalb des Körpers befruchtet und später in eine menschliche Gebärmutter implantiert. Dabei ist es üblich, mehr Eizellen zu befruchten, als tatsächlich benötigt werden. Die nicht verwendeten Eizellen werden eingefroren und können unter anderem für einen späteren IVF-Versuch benutzt werden, etwa wenn ein Paar weitere Kinder haben möchte. Der Knackpunkt dabei: Nicht alle Eizellen überleben die Minusgrade. Zudem werden manche auch vernichtet oder bei medizinischen Tests eingesetzt – was nach der Rechtsauffassung in Alabama Mord ist.

Richter: Gefrorene Embryos sind Kinder

Der Oberste Gerichtshof des Bundestaats hatte sein Urteil auf der Grundlage eines Gesetzes über den unrechtmäßigen Tod von Minderjährigen aus dem Jahr 1872 gefällt und damit entschieden, dass gefrorene Embryos als Kinder anzusehen sind.

Drei Paare hatten die Klinik verklagt, nachdem ihre Embryos versehentlich von einem Patienten auf den Boden gestoßen und zerstört wurden. Ein vorinstanzliches Gericht war noch zu dem Urteil gekommen, dass die eingefrorenen Embryos nicht als "Personen" oder "Kinder" betrachtet werden können und die Klage zurückgewiesen.

Das oberste Gericht kassierte das Urteil mit sieben zu zwei Stimmen ein und erklärte, das mehr als 150 Jahre alte Gesetz sei auf "alle Kinder, ohne Einschränkung" anzuwenden. Richter Jay Mitchell schrieb in einer mit Bibelzitaten gespickten Erklärung, das Gesetz gelte für "alle Kinder, geboren und ungeboren". Mitchel verwies zudem auf das nahezu komplette Verbot von Abtreibungen in Alabama.

Alabama an der Spitze ultraharter Gesetze

Vor eineinhalb Jahren kippte der vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump sehr konservativ besetzte Oberste Gerichtshof der USA das seit 1973 bestehende verfassungsmäßige, landesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Seitdem ist das Recht auf Abtreibung nicht mehr in der Verfassung verankert und die Entscheidung liegt bei den Bundesstaaten. Alabama ist einer von etwa zwei Dutzend US-Bundesstaaten in denen Abtreibungen seitdem verboten oder stark eingeschränkt wurden.

Quellen: DPA, Vox.com

nik

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