Ihr Bild ging um die Welt und wurde zum Symbol der Tragödie, die der Tsunami an den Küsten des Indischen Ozeans hinterlassen hat. Indira war die Frau auf dem preisgekrönten Foto eines Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters, die sich voller Trauer neben der Leiche ihrer Schwägerin in den Sand kauerte. Sechs Monate nach der Katastrophe ist die 33-jährige Inderin ein Beispiel dafür, dass der Albtraum kein Ende nimmt.
Die Mutter von drei Kindern ist noch immer ohne Arbeit und steckt in einem aussichtslosen Kampf mit den örtlichen Behörden um eine neue Bleibe, in der sie sich vor dem Meer sicher fühlt. Weil sie Angst vor einer weiteren Welle hat, hat Indira ihren kleinen Imbissstand am Straßenrand nicht wieder aufgebaut und muss nun von der kleinen Summe leben, die ihr Bruder, ein Bauarbeiter, jeden Monat aus Singapur schickt.
Das Leben ist noch schlimmer geworden
"Die Leute sagen, es wird uns noch ein Tsunami erwischen", sagt Indira vor ihrer Bretterbude im südlichen Indien, die notdürftig mit einer Plastikplane abgedeckt ist. "Ich habe Angst, dass mein kleines Geschäft wieder weggespült wird, wenn ich es am alten Ort wieder aufbaue." Und nach einer Pause fügt sie hinzu: "Das Leben war schon vor der Flutwelle nicht einfach. Es ist noch schlimmer geworden."
Die Behörden haben sie von der Liste genommen
Indira kann weder lesen noch schreiben und wurde vor der Flutwelle von ihrem Mann verlassen. Bis Dezember sorgte sie für das Auskommen ihrer drei Kinder und ihres 75-jährigen Vaters mit dem Imbissstand und dem Zuschuss ihres Bruders. Da die Schäden an ihrer Hütte relativ klein sind, haben die Behörden sie von der Liste derjenigen genommen, die eine neue Bleibe erhalten. Indira hat aber Angst, in ihrem Dorf Sonangkuppam zu bleiben und will unbedingt in eine neue Siedlung umziehen, die weit entfernt vom Strand für Überlebende eingerichtet wird. "Jetzt bettle ich darum, wieder auf die Liste zu kommen."
Der zuständige Verwaltungschef Gagandeep Singh Bedi sagt, Indiras Hütte werde erneuert, allerdings am bisherigen Ort und es werde noch einige Zeit dauern. "Wir warten darauf, dass die Hilfsorganisationen das Projekt vollends umsetzen", sagt er. "Die meisten Bauarbeiten werden fertig sein, bevor Ende September die Regenzeit beginnt. Es ist nur eine Frage der Zeit."
Wiedersehen mit dem Fotografen
Dass ihr Bild des Reuters-Fotografen Arko Datta zum Weltpressefoto des Jahres 2004 gewählt wurde, ist Indira Trost und Freude in ihrem mühsamen Alltag. Als sie Datta wiedertrifft, trägt sie einen blauen Sari und hat sich goldglänzenden Modeschmuck angelegt. "Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, ihn zu sehen", sagt sie und hält eine Ausgabe ihrer Lokalzeitung in der Hand, in der über die Auszeichnung berichtet wird.
Indira war mit ihrer Schwägerin Maheshwari in der Nähe des Strandes, als der Tsunami - ausgelöst von einem ungewöhnlich starken Seebeben vor Indonesien - über die indische Küste hereinbrach. Die beiden Frauen verloren sich. Indira überlebte. Maheshwaris Leiche wurde zwei Tage später aus einem Sumpfgebiet gefischt. Jüngsten Zahlen zufolge sind bei der Katastrophe knapp 190.000 Menschen ums Leben gekommen. Rund 44.000 Menschen gelten noch immer als vermisst, weil ihre Leichen nicht gefunden oder oder identifiziert werden konnten.