"Muhlenberg-Legende" Wäre Deutsch tatsächlich beinahe "Amtssprache" in den USA geworden?

Auf einem schwarz-Weiß-Bild sind Menschen in historischer Kleidung zu sehen
Der Registrierungssaal für Einwanderer auf Ellis Island auf einem historischen Holzstich Ende des 19. Jahrhunderts. Die Deutschen taten sich teils schwer in ihrer neuen Heimat.
© Bildagentur-online/Sunny Celeste / Picture Alliance
Wie schön wäre es, wenn die USA Deutsch sprechen würden statt Englisch. Es soll sogar einmal eine Abstimmung darüber gegeben haben. Die Geschichte hört man immer wieder. Was ist dran?

Einwanderer, die ziemlich religiös sind, sich abschotten und nicht die Sprache ihrer neuen Heimat lernen wollen. Man denkt dabei vor dem Hintergrund aktueller und vergangener Migrationswellen vermutlich an alle möglichen Nationalitäten und die Vorurteile über sie. Aber gemeint sind in diesem Fall – die Deutschen.

Genauer gesagt die Deutschen, die einst in die USA immigrierten, also die Vorfahren vieler moderner Amerikaner. Ihre Nachnamen sind geblieben – und manche Vokabeln wie "knackwurst" oder "kindergarten".

Das Gerücht lebt seit Generationen

Und sie haben der deutsch-amerikanischen Geschichte auch eine hübsche Legende hinterlassen, nämlich die, dass um ein Haar das Deutsche die offizielle Sprache in den USA geworden wäre. Doch es sei ja anders gekommen, bei jener schicksalsträchtigen Entscheidung sei die deutsche Sprache knapp unterlegen gewesen. Das Gerücht hält sich hartnäckig, und zwar seit Jahrhunderten.

Um es gleich klarzustellen: Das stimmt so nicht. Erstens stand nie zur Debatte, dass Deutsch Amtssprache in den USA werden soll. Und zweitens gibt in den Vereinigten Staaten noch nicht einmal eine per Gesetz für das gesamte Land festgelegte Amtssprache. Englisch dominiert lediglich in den meisten Bundesstaaten und ist faktisch die Nationalsprache, manche Bundesstaaten haben das Englische als Amtssprache gewählt, andere haben zwei oder drei offizielle Idiome.

Deutsche Einwanderer in den USA wollten Gesetzestexte in ihrer Sprache lesen

Woher kommt also diese Geschichte, wonach Amerika hätte genauso gut Deutsch sprechen können? Wie bei so vielen Legenden und Gerüchten, geht auch dieses auf einen wahren Kern zurück: Am 9. Januar 1794 brachten deutsche Einwanderer aus Virginia eine Petition beim US-Repräsentantenhaus ein. Ihre Forderung: Künftig sollten Gesetzestexte auch auf Deutsch veröffentlich werden.

Der Hintergrund war, dass viele Deutsche damals schlecht oder kein Englisch sprachen, teils schotteten sie sich ab, manche waren sehr religiös und zogen es vor, unter ihresgleichen zu verkehren. Wenn sie Gesetze in ihrer eigenen Sprache lesen könnten, würden sie sich schneller zurecht finden in ihrer neuen Heimat und sich besser integrieren, so das Kalkül der Initiatoren der Petition.

Doch der Antrag fiel knapp durch – mit 42 zu 41 Stimmen. "Muhlenberg-Legende" heißt die Begebenheit um die Rolle der deutschen Sprache in den USA deshalb, weil der damalige Sprecher des Repräsentantenhauses ein gewisser Frederick Augustus Conrad Muehlenberg war, der mal mit, mal ohne "e" in der Mitte geschrieben wird und sowohl Deutsch als auch Englisch sprach. Wie seine Rolle bei der Abstimmung war, ist nicht exakt überliefert. Er nahm nicht an ihr teil. Doch ob er sich nur enthielt oder gar nicht anwesend war, gilt als unsicher.

Allerdings ist von ihm ein denkwürdiges Zitat überliefert, das er gesagt haben soll, als das Resultat feststand: "Je schneller die Deutschen Amerikaner werden, desto besser ist es."

Ein Geschichtsbuch, das die Geschichte verdreht

Eigentlich wäre diese kleine Petition wohl eine Randnotiz in der deutsch-amerikanischen Geschichte geblieben, wäre da nicht ein Geschichtsbuch gewesen, das der Legende vom deutschsprachigen Amerika nochmal richtig Auftrieb gab: In Franz Lohers 1847 veröffentlichter "History and Achievements of the Germans in America" steht, wie es mehrere Medien zitieren, 1828 sei in Pennsylvania darüber abgestimmt worden, ob Deutsch neben Englisch zweite Amtssprache werden sollte. Schlecht nur, dass der Autor keine Quelle für seine Behauptung nannte, vermutlich hat er bei jener besagten Gesetzestexte-Petition von 1794 ein paar Fakten durcheinander geworfen und sie zu etwas Größerem aufgebauscht, als sie war.

Inzwischen sind sich Historiker einig: Eine solche Abstimmung in Pennsylvania hat es nie gegeben und auch keine in anderen Staaten oder gar landesweit. Der Übeltäter dieser angeblich knapp gescheiterten Abstimmung in Pennsylvania wurde auch benannt – eben jener Muehlenberg.

Deutscher Einfluss war in Pennsylvania groß

Bis heute hält sich das Gerücht um das Deutsche als "Beinahe"-Amtssprache in Amerika. Vielleicht auch, weil Anfang des 19. Jahrhunderts der Einfluss deutschsprachiger Einwanderer in den USA tatsächlich recht groß war. Sie machten damals gut neun Prozent aller Bürger in den Vereinigten Staaten aus und in Pennsylvania sogar ein Drittel.

Letztendlich zogen sie es aber vor, Englisch zu lernen. Ganz wie Herr Muehlenberg es damals geraten hatte.

Quellen: "Welt.de", "Spiegel.de", "Academic" BR Bayern 2

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