Der Anfang dieser Geschichte klingt fast zu verrückt, um wahr zu sein: Im Jahr 2008 suchte Peter Bellerby, damals noch Geschäftsführer einer Bowlingbahn in London, nach einem Geschenk für seinen Vater. Zum 80. Geburtstag sollte es etwas ganz Besonderes sein für den anspruchsvollen alten Herrn, Schiffsbauingenieur im Ruhestand. Neigte der doch dazu, an Präsenten grundsätzlich herumzumäkeln. Der Sohn entschied sich für etwas Praktisches und zugleich Ästhetisches, etwas, womit man sich lange beschäftigen und mehr über die Welt erfahren konnte: Ein Globus sollte es sein – und zwar ein teurer, schöner, hochwertiger, dem runden Geburtstag angemessen.
Doch der Wunsch erwies sich als gewaltiges Problem: Selbst bei "Stanfords", Londons führendem Landkartenladen, gab es nur Weltkugeln in Klassenzimmerqualität, bunt, leuchtend, aber zu billig. Bellerby versuchte es in Londoner Auktionshäusern, wo prächtige antike Globen versteigert wurden – doch die Gebote von mehreren Zehntausend Pfund überstiegen schnell sein Budget. Außerdem war das Weltbild dieser Kugeln – offenkundig – völlig überholt – was sein Vater vermutlich sofort bemängelt hätte. Auch auf einer längeren Reise durch Indien, Ägypten und Marokko fand sich nichts Passendes bei den vielen Kunsthandwerkern, die Bellerby besuchte.
Wie bekommt man eine Weltkarte auf einen Globus?
Irgendwann war der Geburtstag da – aber immer noch kein Globus. Dann baue ich meinem Dad eben selbst einen, beschloss Peter Bellerby. Ein Freund sollte ihm eine Software schreiben, um eine flache Landkarte in surfbrettförmige Teile zu zerlegen – sogenannte "Globuszwickel" – die Bellerby danach auf eine Kugel kleben wollte. Er erstellte eine lange Globus-To-Do-Liste: Wie gießt man eine hauchdünne Gipskugel? Wie klebt man die widerspenstigen Papier-"Zwickel" am besten darauf und wie malt man die Weltkarte dann fertig? Was für einen Sockel braucht man? Und: Wer könnte eine elegante Halterung aus Messing gießen und gravieren – den gebogenen "Meridian", der am Ende den Globus und seine Achse halten soll, damit die Kugel sich drehen kann.

Der Lange Weg zum perfekten Globus
Seinen Traum vom perfekten Globus und den langen Weg dahin beschreibt der Londoner Peter Bellerby in einem aufwendig illustrierten – und zum Teil sehr lustigen – Bildband: "Der Globenmacher und wie das Bild unserer Welt entstand" ist im Knesebeck Verlag erschienen (240 Seiten, 36 Euro).
Nach zwei Jahren war Bellerbys Geschenk-Projekt zum Vollzeitjob in einer Firma mit einem Maler, einem Tischler und einer Website angewachsen – aber leider ebenso sein Schuldenberg. Bis 2014 investierte er mehr als 180.000 britische Pfund in seinen Traum und musste sein Auto und sogar das Haus der Familie verkaufen, um alle Außenstände begleichen zu können. Doch das Londoner Unternehmen "Bellerby & Co Globemakers" war geboren. Bis heute ist es der weltweit einzige Hersteller von komplett handgefertigten Globen.
Erfolglose Versuche mit Gipskugeln und Landkartenstreifen
Über seine Arbeiten an der perfekten Weltkugel hat Peter Bellerby ein faszinierendes, aufwendig illustriertes – und sehr humorvolles – Buch geschrieben, das nun auf Deutsch erscheint ("Der Globenmacher und wie das Bild unserer Welt entstand", Knesebeck Verlag, 240 Seiten, 36 Euro). Darin erzählt er von seinem langen Weg zum perfekten Globus, von den vielen erfolglosen Versuchen, eine 50-Zentimeter-Hohlkugel aus millimeterdünnem Gips zu gießen – und dann heil aus der Form zu bekommen. Von der Mühe, Falten werfende Landkartenstreifen millimetergenau auf diese Kugeln zu kleben – und wie er irgendwann mit Yoga anfing, um noch das kleinste Zittern seiner Hände beim Kleben in den Griff zu bekommen.
Doch Bellerby lernte bei seiner Arbeit auch viel über unser Bild von der Welt, die Faszination, die ein Globus als Miniatur-Abbild der Erde schon immer auf Menschen ausübte: Die Geschichte seines Buches reicht zurück bis zu Aristoteles, der die Sterne über Zypern betrachtete und anhand der Himmelskörper zu beweisen versuchte, dass wir Menschen auf einer Weltkugel stehen. Oder zum französischen Sonnenkönig Ludwig XIV., der 20 Jahre auf seine bestellten Globen warten musste, weil der italienische Kartograf Coronelli ihm nur die besten und am schönsten bemalten Weltkugeln bieten wollte.
Jede Landkarte, jeder Globus ist auch politisch
Es geht aber auch um die politische Dimension, die ein Globus hat, um die Frage, welche Länder darauf zu sehen sein dürfen und um den Streit über Grenzen: In China darf Taiwan nicht auf einer Karte oder Kugel genannt sein, im Libanon fehlt Israel, und Indien streitet seit Langem mit Pakistan, wo die Grenze zwischen beiden Staaten verläuft. Schier unlösbare Probleme – auch für einen Globenmacher.
Und so verrät das alte Handwerk, das Peter Bellerby wiederentdeckte und nun in seinem Buch feiert, viel über uns und den Planeten, auf dem wir wohnen. Die Mini-Weltkugel auf unserem Regal versetzt uns wie in eine Umlaufbahn, von der aus wir auf die kleine, zerbrechliche Erde blicken wie Astronauten vom All aus. Inzwischen kann man sich Bellerbys Globen auch für zu Hause bestellen. Etwa 600 Kugeln stellt die Firma heute pro Jahr von Hand her: Modelle von der Erde, vom Mond oder von Sternbildern. Es gibt winzige 12-Zentimeter-Globen für den Schreibtisch und riesige mit mehr als einem Meter Durchmesser. Manche drehen sich in Ständern, andere rollen auf einem Holzsockel frei auf Kugeln, sodass man sie von allen Seiten betrachten kann.
Zwei Jahre nach dem Geburtstag bekam Dad endlich seinen Globus
Auch Bellerbys Vaters bekam 2010, zwei Jahre nach seinem 80. Geburtstag, endlich seinen Globus. Sein Dad habe das Geschenk wie erwartet etwas trocken kommentiert, schreibt Peter Bellerby in seinem Buch, nämlich mit den Worten: "Daran hast du also in den letzten ein, zwei Jahren gearbeitet." Doch der Globus erhielt sofort einen Ehrenplatz neben dem Lieblingssessel seines Vaters. Wer sich selbst einen handgefertigten Globus in London bestellen möchte, muss für diesen Luxus allerdings tief in die Tasche greifen: Die kleinsten Kugeln kosten mehr als 1000, die größten mehrere Zehntausend britische Pfund.