Stimmt es, dass die Taliban in den ländlichen Regionen Afghanistans beliebt sind?
Eher nicht. Der verbreiteten Meinung, in bildungsfernen dörflichen Strukturen fänden die radikalen Eiferer Verständnis und Zuspruch, steht eine langjährige Feldforschung der Asia-Foundation entgegen: 83,9 Prozent lehnten die Taliban hier zum Schluss ab.
Fünfzehn Jahre lang, zwischen 2004 und 2019, befragten die Meinungsforscher etwa 130.000 Menschen zu Themen des politischen und sozialen Lebens. Ihre Studie konnte einen deutlichen Abwärtstrend der Sympathiewerte für die Islamisten nachweisen, selbst in den beiden südöstlichen Taliban-Hochburgen Zabul und Uruzgan lagen sie zuletzt gerade mal bei 50 bzw. 56 Prozent. Der Trend ging klar nach unten.

Stimmt es eigentlich, dass ...
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Ideologie der Taliban aus Saudi-Arabien beeinflusst
Das heißt nicht, dass die Zustimmungswerte für die politische Elite in der Studie viel besser wären. Den Ministern im Kabinett oder den Mitgliedern im afghanischen Nationalparlament vertraute nur rund die Hälfte der Afghanen. Dazu passt, dass neun von zehn Afghanen Korruption als ein großes Problem in ihrem Leben wahrnehmen. Das Vertrauen in die staatlichen Institutionen – wenn es denn jemals da war – ist erschüttert.
Aber wem wird getraut? Die meisten Afghanen, so ergab die Studie, zählen auf ihre religiösen Führer. Die erreichten mit durchgehend um die 70 Prozent den höchsten Wert. Gemeint sind damit nicht religiös motivierte Clanchefs oder Milizenführer, sondern die vielen Mullahs und Imame, die auf dem Land, aber auch in der Stadt das tägliche Leben begleiten. Die dem Neugeborenen den Gebetsruf einflüstern, vor der Todesbahre eine Rede halten, die schlichten bei Streit in Familien oder zwischen den Clans. Oder die sich gar als Heilmediziner versuchen, wenn der nächste Arzt unerreichbar ist.
Durch die Geschichte des Landes stieg ihr Ruf immer dann, wenn die öffentlichen Institutionen versagten und der Glaube an den Staat, die Armee, die Polizei verkam. Als Mentoren fordern sie keinen Respekt – sie haben ihn in der Regel schon. Und oft vertreten sie eine Religiosität, die mit Heiligenkulten und Musik daherkommt und stärker verwurzelt ist als die zum Teil saudisch beeinflusste Ideologie der Taliban, .