Lonely Planets Die Einsamsten ihrer Art

Sie sind komplett ungebunden: Astronomen haben eine neue Klasse von Planeten entdeckt, die nicht um einen Heimatstern kreisen. Sie vermuten, dass es unzählige dieser einsamen Wanderer in der Milchstraße geben muss.

Bisher gingen Astronomen davon aus, dass sich Planeten um ein Zentralgestirn bewegen. Doch nun haben Forscher außerhalb unseres Sonnensystems große Planeten gefunden, sie nicht wie sonst üblich um einen Heimatstern kreisen. Diese Vagabunden des Weltalls schweben einsam und in völliger Dunkelheit durch die Milchstraße. Die Entdeckung der neuen Planetenklasse stellen zwei internationale Astronomenteams im britischen Fachjournal "Nature" vor. Ihren Berechnungen zufolge gibt es in der Milchstraße rund doppelt so viele herrenlose Planeten wie Sterne.

Seit 1995 sind mehr als 500 Planeten außerhalb unseres eigenen Sonnensystems entdeckt worden. Die meisten dieser sogenannten Exoplaneten haben sich durch ihre Schwerkraft verraten, mit der sie rhythmisch an ihrem Heimatstern rütteln. Je größer der Planet und je dichter er um seinen Stern kreist, desto leichter lässt er sich entdecken.

Brennglas im All

Die beiden Forschergruppen setzten auf eine andere Fahndungstechnik, die sich Albert Einsteins Relativitätstheorie zunutze macht: Sie arbeitetet mit dem Gravitationslinseneffekt - einem Verfahren, das sich die Beugung von Licht durch die Gravitation zunutze macht. Ein Planet, der zufällig genau zwischen Erde und einem fernen Stern vorbeiwandert, verstärkt demnach das Licht dieses Sterns wie ein Brennglas. Stehen der punktförmige Planet und der Stern in einer Linie mit der Erde, erscheint das Bild des Sterns ringförmig. Meistens flackert der Stern allerdings in einer charakteristischen Weise vorübergehend auf.

Durch dieses sogenannte Microlensing - das eigentlich in erster Linie dazu diente, nach Dunkler Materie zu fahnden - haben Astronomen bereits ein Dutzend Exoplaneten entdeckt. Doch die Ereignisse sind relativ selten. Im aktuellen Fall beobachteten die Forscher 50 Millionen Sterne der Milchstraße für zwei Jahre mindestens einmal pro Stunde.

Komplett ungebunden

Dabei fanden sie 474 Microlensing-Ereignisse, von denen die meisten aber nicht durch einen Planeten, sondern einen anderen Stern im Vordergrund ausgelöst wurden. Zehn dieser Ereignisse waren jedoch so kurz, dass die Forscher sie jupitergroßen Objekten zuschreiben.

Zumindest innerhalb der zehnfachen Entfernung der Erde zur Sonne ließ sich bei diesen Objekten keine Spur eines Heimatsterns entdecken. Ein Vergleich mit direkten Beobachtungen lege nahe, dass diese Exoplaneten komplett ungebunden seien, schreiben die Astronomen der Arbeitsgruppen Microlensing Observations in Astrophysics und The Optical Gravitational Lensing Experiment in "Nature".

Aus den zehn beobachteten Ereignissen rechnen die Forscher um Takahiro Sumi von der Universität Osaka statistisch hoch, dass es knapp doppelt so viele frei schwebende Planeten in der Milchstraße geben müsste wie gewöhnliche Sterne. Die genaue Zahl der Sterne in der Milchstraße ist unbekannt, wird aber auf 100 bis 300 Milliarden geschätzt.

Instabile Systeme

"Wir vermuten, dass Planetensysteme häufig instabil werden, indem Planeten durch ein nahes Zusammentreffen mit anderen ihrer Art ins All geschleudert werden", sagt einer der Autoren der Studie, der Astronom David Bennett. Weiter Untersuchungen sollen allerdings noch genau klären, wie die herrenlosen Planeten entstanden sind und wie sie sich losgerissen haben.

"Die Konsequenzen aus dieser Entdeckung sind tiefgreifend", schreibt der deutsche Astronom Joachim Wambsganß in einem ebenfalls in "Nature" veröffentlichten Kommentar zu der Studie. Man habe damit einen ersten Eindruck einer neuen Art von planetaren Objekten in unserer Galaxie erhalten.

DPA
lea/DPA/AFP

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