"Nie ist ein Anschauungsmittel geschaffen worden, das so instruktiv wie dieses wäre; nie eins, das mehr bezaubernd gewirkt hätte; nie eins, das im selben Grade wie dieses sich an alle wendet. Es ist Schule, Theater und Film auf einmal, ein Schulsaal unter dem Gewölbe des Himmels, und ein Schauspiel, wo die Himmelskörper Akteure sind. (...) Eine Nitra-Lampe, eine Anzahl Taschen-Projektionsapparate, einige Zahnradübersetzungen und so-und-soviele Meter elektrischer Leitungsdraht, das sind die Hauptingredienzen, und das Resultat: Das schönste Kunstwerk."
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Auf der Homepage von Andreas Scholl finden sich noch viel mehr Informationen zu Planetarien
www.planetarium-online.info
Mit diesen Worten beschrieb der dänische Astronom Prof. Elis Strömgren, Direktor der Kopenhagener Sternwarte, seine Eindrücke vom ersten Projektionsplanetarium, das er Anfang 1925 in Jena bewundern konnte. Das Zeiss Modell I - diese Bezeichnung wurde dem Gerät erst im Nachhinein verliehen - war zu diesem Zeitpunkt bereits als "Wunder aus Jena" weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt.
1923 erstrahlte der erste künstliche Sternenhimmel
Die Entwicklung hatte schon einige Jahre zuvor begonnen. Walther Bauersfeld, der heute als Erfinder des Projektionsplanetariums gilt, entwarf im Frühjahr 1919 ein Konzept, das die Projektion des Sternenhimmels, der Sonne, des Mondes und der Planeten ermöglichen sollte. Die darauf folgenden Jahre waren gefüllt mit intensiver Arbeit einer Spezialistengruppe um Bauersfeld, der die meiste Zeit der Realisierung des Projekts widmete - neben seiner Tätigkeit in der Zeiss-Geschäftsleitung.
Im August 1923 war es soweit: Zum ersten Mal erstrahlte ein künstlicher Sternenhimmel. Walter Villiger, seit 1913 Leiter der Zeiss-Astroabteilung, beschrieb diesen Moment später so: "Auch die Nächstbeteiligten waren überrascht, als in Jena zum ersten Male in einer auf einem der Fabrikdächer des Zeisswerkes aufgebauten Kuppel von 16 Metern Durchmesser das Firmament erstrahlte. Keine Beschreibung vermag den tiefen Eindruck wiederzugeben, den man in diesem Himmelsmodell empfindet."
Von Jena aus in die weite Welt
Es dauerte allerdings noch zwei Jahre, bis es schließlich im Frühjahr 1925 - endlich komplett fertiggestellt - offiziell im Rahmen der Feierlichkeiten zur Eröffnung des Deutschen Museums eingeweiht werden konnte. Mit dem Zeiss Modell I konnte jedoch nur der Sternenhimmel des 48. nördlichen Breitengrads dargestellt werden. Bei der zweiten Modellreihe, deren Planung bereits vor der Fertigstellung des Modell I begann, konnte der Sternenhimmel von jedem beliebigen Ort der Erde gezeigt werden.
Die ersten Geräte dieses Typs wurden bereits 1926 ausgeliefert. Wuppertal, Leipzig, Düsseldorf, Jena, Dresden und Berlin nannten solch ein Sternentheater ihr Eigen. In den darauf folgenden Jahren schlossen sich Mannheim, Nürnberg, Hannover, Stuttgart und Hamburg an. Auch Städte in anderen Ländern wurden auf die Jenaer Erfindung aufmerksam und leisteten sich ein Planetarium, so zum Beispiel die Metropolen Wien, Moskau, Chicago, Paris und Tokio.
Der Zweite Weltkrieg wurde den meisten deutschen Sternentheatern zum Verhängnis. Nur zwei von ihnen hatten die Kriegswirren einigermaßen heil überstanden: Jena und Hamburg. Alle anderen wurden entweder ganz zerstört oder zumindest so schwer beschädigt, dass ein Wiederaufbau nicht lohnte. Nur das Nürnberger Planetarium wurde von all dem nicht behelligt, denn man hatte es bereits 1934 wieder abgerissen.
Zeiss-Projektoren haben nach wie vor in Deutschland die Nase vorn
Nach dem Krieg wurde das Zeisswerk von den Besatzungsmächten geteilt und die künftige Entwicklung der Planetarien - auf Basis des Zeiss Modell II - fand nun an den beiden Standorten Jena und Oberkochen getrennt statt.
Ein regelrechter Boom der Planetarien setzte mit dem Beginn des Raumfahrtzeitalters ein. Nicht nur wurden große Häuser neu gebaut, auch zahlreiche Kleinplanetarien wurden in Schulen und Sternwarten eingesetzt. Die Prototypen dieser Kleinplanetarien waren zur Fliegerausbildung für die Wehrmacht bereits während des Kriegs entwickelt worden. Für Planetarien mittlerer Größe wurden ebenfalls Projektoren entwickelt, zunächst in Jena, später auch in Oberkochen. Nach der Wende wurden die beiden Zeiss-Werke wieder vereint und Planetarien seither nur noch in Jena gefertigt.
Heute spiegelt die Planetarienlandschaft im deutschsprachigen Raum fast die gesamte Palette der Entwicklung auf diesem Gebiet wider. Insgesamt gibt es hier etwa 100 Planetarien. Neben den großen und bekannten gibt es Dutzende Klein- und Kleinstplanetarien. Die überwiegende Mehrheit der deutschsprachigen Planetarien arbeitet mit einem Projektor aus dem Hause Zeiss. Natürlich wurden im Laufe der vergangenen Jahrzehnte auch von anderen Firmen Planetarien entwickelt, beispielsweise von Goto (Japan), Minolta (Japan), Spitz (USA), RSA Cosmos (Frankreich) und Gambato (Italien). Sie alle sind jedoch hierzulande nur vereinzelt oder überhaupt nicht vertreten.
Neue Glasfasertechnologie hängt sogar den echten Sternenhimmel ab
Zahlreiche Planetarien setzen noch immer Jahrzehnte alte Projektoren ein, zum Beispiel Hannover, Stralsund und Köln. Andere, vor allem große Planetarien wie Stuttgart, Freiburg und Hamburg wurden in den letzten Jahren mit der neuesten Projektorgeneration ausgestattet. Der Sternenhimmel dieser Geräte wird mit Glasfasern erzeugt und besticht durch eine Brillanz, die jene des echten Sternenhimmels sogar übertrifft.
Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass es in einigen Gebieten sehr viele Planetarien gibt, in anderen hingegen nur sehr wenige. Im Süden Deutschlands, vor allem im Gebiet von München bis Stuttgart, aber auch im Ruhrgebiet sind zahlreiche Planetarien zu finden. Sachsen und Sachsen-Anhalt können besonders viele kleine Planetarien vorweisen - ein Relikt aus der DDR-Zeit, wo die Astronomie ein reguläres Schulfach war und der Planetariumsbesuch zum Unterricht gehörte. In manchen Gegenden Bayerns und Niedersachsens muss man jedoch sehr weit bis zum nächsten Planetarium fahren, und das Saarland kann als einziges deutsches Bundesland kein Planetarium vorweisen. Auch Österreich hat mit nur vier Planetarien noch Nachholbedarf.
Vor einiger Zeit wurde Europa von einer Entwicklung erfasst, die ihre Anfänge in den USA hatte: Das so genannte digitale Planetarium. Dabei werden mehrere Videobeamer so angeordnet, dass sie die komplette Planetariumskuppel mit bewegten Bildern füllen können, die zu einer einzigen riesigen Szenerie verschmelzen. Mehrere Firmen haben solche Ganzkuppelvideosysteme entwickelt, auch Zeiss ist mit dem ADLIP (All Dome Laser Image Projector) auf dem internationalen Markt vertreten. Mit Alldome-Systemen amerikanischer Firmen sind bereits die Planetarien in Luzern, Kiel und Hamburg ausgestattet. Viele weitere Planetarien werden folgen, es ist nur eine Frage der Zeit. Die Zukunft der Planetarien hat also bereits begonnen – und wir sind mittendrin.