Wer ich bin "Weil ich ein Määädchen bin" – Sängerin Luci van Org über ihre brutale Kindheit und ihren Weg auf die Bühne

Illustration der Musikerin Luci van Org
"Weil ich ein Määädchen bin "-Sängerin Luci van Org erzählt, wie der Erfolg ihr Leben als Frau in einer männerdominierten Branche beeinflusste
© Fritz Erler / stern
In dieser stern-Serie fragen wir Menschen aus allen Lebenswelten, was es für sie bedeutet, eine Frau oder ein Mann zu sein, als trans Person zu leben oder sich keinem Geschlecht zugehörig zu fühlen. Wir machen uns auf die Suche nach dem, was unser Geschlechtsempfinden prägt. 

Luci van Org, 52, war Frontfrau der Band Lucilectric, die 1994 den Hit "Mädchen" landete: "Keine Widerrede Mann, weil ich ja sowieso gewinn, weil ich 'n Mädchen bin", lautet der Refrain, den damals jede und jeder kannte. In der Girlie-Hymne der 1990er-Jahre geht es um sexuelle Befreiung, die Themen Selbstbestimmung und Gleichberechtigung ziehen sich durch das künstlerische Schaffen der Sängerin. Heute lebt und arbeitet Luci van Org, sooft es geht, in ihrem Haus in Schottland. Sie schreibt seit vielen Jahren Romane und Drehbücher für ARD-Serien wie "In aller Freundschaft" und "WaPo Bodensee". Außerdem macht sie bis heute Musik. Im vergangenen Jahr ist ihre Novelle "Wir fünf und ich und die Toten" erschienen (Edition Outbird), in der sie ihre schwierige Kindheit verarbeitet. Luci van Org ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.

Ich erinnere mich daran, wie ich das erste Mal "The Cure" gehört habe auf dem Kassettenrekorder einer Freundin. Ich habe mich sofort in die Stimme von Robert Smith verliebt. Und dann habe ich gesehen, dass er dick ist. Zu Hause wurde ich immer die Dickmadam genannt. Wenn ich heute Fotos anschaue, denke ich: Ich war überhaupt nicht dick. Dass Robert Smith nicht schlank aussah, war tröstlich für mich. Wenn er auf der Bühne stand, hatte er trotzdem so einen Zauber! Es hat dann zwei Monate gedauert, bis ich mich von einem gehänselten Mädchen mit dicker Brille und Zöpfen in ein New-Wave-Girl verwandelt habe, krass geschminkt, meistens mit blinzelnden Augen, weil die harten Kontaktlinsen so wehtaten. Plötzlich nahmen mich dann auch Jungs wahr, und ich habe begriffen, dass das auch Vorteile hat, ein Mädchen zu sein. Damals war ich elf.

Meine Kindheit habe ich gerade eben überlebt. Ich bin in einem Bildungsbürgerhaushalt aufgewachsen, humanistisches Gymnasium, Biedermeiermöbel, Käthe-Kruse-Puppen. Aber es kann auch Blut an die Wände spritzen, wenn dort Puppen sitzen. Es können auch Türen eingetreten werden, wenn Biedermeiermöbel im Zimmer stehen. Häusliche Gewalt ist ein Problem, das in allen Schichten vorkommen kann. 

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