Silke Kress ist 52 Jahre alt und lebt in Kulmbach. Die ehemalige OP-Schwester hat sich aufgrund einer Krebsdiagnose erst eine, später auch die zweite Brust abnehmen lassen. 2019 hat sie über die Organisation Pink Ribbon eine Brustkrebs-Selbsthilfegruppe gegründet. Heute arbeitet Silke Kress zusammen mit ihrem Mann in eigenen Ergotherapie-Praxen.
Ich bin in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Damals trugen alle meine Klassenkameradinnen und Freundinnen Locken. Ich habe den Trend eine Weile beobachtet, so wie ich immer alles erst einmal beobachte. Und dann habe ich meine Jugendweihe zum Anlass genommen, mir auch eine Dauerwelle legen zu lassen. Bezahlt hat sie Mutti. Der Friseur hat Strähne für Strähne in sich gedreht und sie dann auf die Lockenwickler gezogen. Meine Haare waren schulterlang, und als die Wickler wieder raus waren, wirkten sie kürzer. Ich hatte schöne Locken. Das hat mir gefallen, ich habe mich zum ersten Mal als junge Frau empfunden. Dass ich mich so verändern kann, das bedeutet für mich weiblich zu sein.
Später habe ich die Haare richtig kurz getragen. Wenn ich irgendwo hinkam, an einen neuen Arbeitsplatz oder so, dann hieß es: Du siehst aus wie Annie Lennox. Die hatte ihre Lederjacke an und wirkte völlig normal, das mochte ich. Die war nicht verkleidet, die war sie selbst. Und das gelingt mir auch immer mehr. Seit meinem 50. Geburtstag trage ich Kleider, das habe ich früher nicht gemacht. Mir ist es egal, was andere denken oder sagen. Ich möchte mehr diese Frau sein, die ich lange nicht war.