Wer ich bin "Vater, dir fehlen die Brüste": Schriftsteller Dinçer Güçyeter über seine feminine Seite

Illustration zeigt ein Portrait von Dincer Gücyeter auf rotem Hintergrund
"Ich habe nie unterschieden zwischen den Geschlechtern, ich wollte mich nicht in ein Schema zwängen lassen", sagt Dinçer Güçyeter.
© Fritz Erler / stern
In dieser stern-Serie fragen wir Menschen aus allen Lebenswelten, was es für sie bedeutet, eine Frau oder ein Mann zu sein, als trans Person zu leben oder sich keinem Geschlecht zugehörig zu fühlen. Wir machen uns auf die Suche nach dem, was unser Geschlechtsempfinden prägt. Dieses Mal mit Autor Dinçer Güçyeter. 

Seine Mutter arbeitete in einer Fabrik, in der Kneipe und auf dem Feld, während sein Vater eigene Pläne verfolgte, meist Verlustgeschäfte: Dinçer Güçyeter, 45, wuchs als Sohn türkischer Gastarbeiter im niederrheinischen Nettetal auf. Nach der Schule absolvierte er eine Lehre zum Werkzeugmechaniker. 2011 gründete Dinçer Güçyeter den EILIF Verlag, jobbte als Gabelstaplerfahrer und verlegte seine Gedichte, von denen der Band "Mein Prinz, ich bin das Ghetto" 2021 mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet wurde. Im Herbst 2022 veröffentlichte er seinen ersten Roman: "Unser Deutschlandmärchen", erschienen im mikrotext Verlag. Darin erzählt er in wechselnden Sprachformen die Geschichte seiner Familie, vom Aufwachsen zwischen unterschiedlichen Kulturen und seiner Sehnsucht nach Freiheit. Dafür erhielt er den Preis der Leipziger Buchmesse. Dinçer Güçyeter lebt mit seiner Frau und den zwei Kindern immer noch in Nettetal.

Ich war schon als Kind eher feminin, und das bedeutete, dass ich kämpfen musste. In der Schule, im Sportunterricht sowieso und auch später in meiner Ausbildung zum Werkzeugmechaniker. Ich bin in einer muslimischen Familie aufgewachsen, wo die Strukturen maskulin geprägt waren. Doch auch wenn ich mich als feminin empfinde, verurteile ich Männer nicht, die maskulin auftreten. Sie sind von ihren Familien geprägt. Es sind Jungs, die mit fünf Jahren beginnen, die Moschee zu besuchen. Die von ihren Müttern aufgeputscht werden, weil es den traditionellen Erwartungen entspricht. 

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