Rammstein und die Folgen Hat die Musikbranche ein Sexismus-Problem? Ja, sagen Frauen, die dort arbeiten

Sie machen ihr eigenes Ding (im Uhrzeigersinn): Sängerin Ivy Quainoo, DJ Nina Hepburn, Rapperin Sookee, Labelchefin Johanna Bauhus und Sängerin/Songwriterin Alin Coen.
Sie machen ihr eigenes Ding (im Uhrzeigersinn): Sängerin Ivy Quainoo, DJ Nina Hepburn, Rapperin Sookee, Labelchefin Johanna Bauhus und Sängerin/Songwriterin Alin Coen.
© Bastian Thiery, Victoria Jung
Nicht erst seit dem Fall Rammstein ist klar: Die Musikindustrie hat ein Sexismus-Problem. Viele Frauen in der Branche haben daraus gelernt und zeigen, dass es auch anders geht.

Sie kennt die Sprüche, sie fliegen ihr entgegen wie kleine Geschosse, wenn sie auf die Bühne geht. Tontechniker, die fragen: "Kann ich dir helfen, die Kabel zu verlegen?" Zuschauer, die rufen: "Das ist aber ein großer Flötenkoffer!" Witze von der Sorte, über die meist nur einer lachen kann. Sie, Johanna Bauhus, weiß, wie es ist, mit einer Frauenband auf einem Rockfestival zu spielen, für das der Veranstalter außer ihnen nur Männer gebucht hat. Wie es sich anfühlt, an so einem Tag im Backstage-Bereich zu sitzen. Sie zuckt mit den Schultern und sagt: "Wir sind ziemlich schnell nach Hause gefahren."

Johanna Bauhus, Labelchefin, Münster Ich gehe seit 20 Jahren zu Konzerten. Früher habe ich dort nie Frauen auf den Bühnen gesehen, die gab es einfach nicht. 2016 traf ich zwei Freundinnen auf einer Party. Sie kamen da gerade von einer Tour zurück und erzählten mir, dass sie die einzigen Frauen weit und breit gewesen seien. Und das auf einer Festival-Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz! An dem Tag haben wir entschieden, ein queerfeministisches Musiklabel für marginalisierte Menschen wie Frauen und weiblich gelesene Menschen zu gründen: "Ladies & Ladys". Wir nennen es das erste offiziell sexistische Musiklabel der Welt, denn offensichtlich ist die Musikindustrie sexistisch – aber eben nicht offiziell. Männer buchen Männer, Männer stellen Männer ein. Mit unserem Label wollen wir einen Gegenpol schaffen. Wir versuchen, in diesem Haifischbecken einmal stellvertretend für unsere Künstler*innen umzurühren und zu sagen: Hey, das ist nicht in Ordnung, was ihr da macht.
Johanna Bauhus, Labelchefin, Münster Ich gehe seit 20 Jahren zu Konzerten. Früher habe ich dort nie Frauen auf den Bühnen gesehen, die gab es einfach nicht. 2016 traf ich zwei Freundinnen auf einer Party. Sie kamen da gerade von einer Tour zurück und erzählten mir, dass sie die einzigen Frauen weit und breit gewesen seien. Und das auf einer Festival-Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz! An dem Tag haben wir entschieden, ein queerfeministisches Musiklabel für marginalisierte Menschen wie Frauen und weiblich gelesene Menschen zu gründen: "Ladies & Ladys". Wir nennen es das erste offiziell sexistische Musiklabel der Welt, denn offensichtlich ist die Musikindustrie sexistisch – aber eben nicht offiziell. Männer buchen Männer, Männer stellen Männer ein. Mit unserem Label wollen wir einen Gegenpol schaffen. Wir versuchen, in diesem Haifischbecken einmal stellvertretend für unsere Künstler*innen umzurühren und zu sagen: Hey, das ist nicht in Ordnung, was ihr da macht.
© Victoria Jung

Trotzdem würde Bauhus, Bassistin und Chefin eines Plattenlabels, es wieder so machen: mit ihrer Band Wenn einer lügt dann wir zwischen all den Männergruppen auftreten, so lange, bis die Festivalprogramme anders aussehen.

Nur: Wie lange soll das noch dauern?

Erschienen in stern 31/2023

PRODUKTE & TIPPS