Man hätte erwarten dürfen, dass er den Ball flach hält. Zumindest für eine Weile. Doch das scheint nicht der Stil eines Till Lindemann zu sein.
Nachdem gegen den Rammstein-Sänger im vergangenen Jahr Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs erhoben wurden, waren Proteste der kontinuierliche Begleiter der Auftritte von Rammstein sowie seiner Solokonzerte. Lindemann, der die Vorwürfe bis heute bestreitet, denkt gar nicht daran, sich zurückzunehmen. Im Gegenteil.
Till Lindemann sieht aus wie Klaus Kinski
Vor der Veröffentlichung des Videos zu seiner neuen Solo-Single "Entre dos Tierras" ließ Lindemann Schnipsel veröffentlichen, die als Teaser zu dem Clip angekündigt wurden. Sie zeigen, wie sich Lindemann die Hose aufknöpft und dann eine am Boden liegende Frau mutmaßlich vergewaltigt. Zu sehen sind die 14 Sekunden unter anderem auf einem Youtube-Channel, der sich "Till Sexov and his adventures" nennt.
Die ganze Szenerie findet auf einer Plantage statt, Lindemann trägt einen weißen Anzug. Er wirkt ein wenig wie Klaus Kinski als Fitzcarraldo in Werner Herzogs gleichnamigem Film. Jener ebenso größenwahnsinnige wie geniale Charakter, der im peruanischen Dschungel ein Opernhaus bauen wollte und dafür sogar ein Schiff über einen Berg ziehen ließ.
Die Provokation gelang: Die "Bild"-Zeitung sprang gleich drauf an und widmete dem Schnipsel einen eigenen Artikel unter der Überschrift: "Spielt er eine Vergewaltigung nach? Till Lindemann schockt mit Würge-Video".
Die Methode ist von Rammstein bekannt
Mittlerweile ist das fertige Video zu sehen. Skandalös ist daran nichts. Es enthält zwar alles, was der Trailer schon angedeutet hat - ist aber anders geschnitten. So ist in den Szenen, die die Vergewaltigung zeigen sollen, nur Lindemanns Gesicht mit seinen aufgerissenen Augen zu sehen. Nicht aber die unter ihm liegende Frau.
Eine Methode, der sich Rammstein schon öfters bedient hat: 2019 schockte die Band mit einem vorab veröffentlichten Ausschnitt aus ihrem Video "Deutschland", das sie als KZ-Häftlinge am Galgen mit gelben Sternen zeigt. Ein Skandal? Das fertige Video stellte die gesamte Szenerie ganz anders dar. Die vermeintliche Geschmacklosigkeit und Holocaust-Verharmlosung entpuppte sich als Absage an Patriotismus und Nationalismus.
Mit "Entre dos tierras", einem Cover des 1990er-Hits der spanischen Band Héroes del Silencio, ist Till Lindemann nun ganz ähnlich verfahren. Man kann dazu nur sagen: Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.
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