Interview Für den Hausaltar

Warum brauchen wir heutzutage noch Totenmasken? Über die Beweggründe, die neue Form der Trauerverarbeitung und die Anfertigungsschritte spricht der Bremer Bestattungsunternehmer Volker Stühmer.

Wie kamen Sie als Bestatter eigentlich auf die Idee, das Erstellen von Totenmasken in den Katalog der Bestatterdienste aufzunehmen?

Es ist so, dass Tod und Trauer in unserer Gesellschaft an Stellenwert verloren haben. Menschen gestalten ihr Leben anders, gehen dem Tod gerne aus dem Weg. Wenn dann ein Sterbefall eintritt, sind die Betroffenen meist hilflos. Wir wollen Totenmasken als ein Instrument anbieten, um Menschen zu sensibilisieren und ihnen die Trauerarbeit zu erleichtern. Eine Totenmaske besteht nicht aus Fleisch und Blut; sie ist aber im wahrsten Sinne begreifbar. Sie ist näher und präsenter als ein Foto. Unmittelbar nach der Beerdigung braucht Trauer sehr viel Raum. Wenn der Schmerz nachlässt, ist die Maske eine Art Anlaufstelle – genau wie ein Grab. Mit unserem Angebot wollen wir Menschen also helfen, ihre Trauer besser zu verarbeiten.

Von vielen Berühmtheiten wurden in den letzten 2000 Jahre letzte Bildnisse erstellt. Oft sind die Masken – etwa von Schiller oder Heine – bereits stark vom Tod gezeichnet, sie wirken entseelt und hart. Sollte man sich nicht lieber den Gesichtern der Lebenden erinnern?

Nein. Gerade Menschen, die ein schweres Ende hatten, im Krankenhaus waren, lange litten, erhalten erst nach dem Tod wieder einen relativ entspannten Gesichtsausdruck.

Für weitere Informationen:

Beerdigungsinstitut Stühmer Wilmannsberg 2
28757 Bremen
Tel.: (04 21) 66 07 60
Fax: (04 21) 6 60 76 32

Rentiert sich das Zusatzgeschäft mit den Masken überhaupt?

Wir haben so kalkuliert, dass am Ende noch etwas für uns übrig bleibt. Aber in der Start-Phase gab es auch sehr viele Unkosten: Schulungen der Mitarbeiter, Material etc. Aber um Gewinne geht es mir auch nicht. Ich rechne nicht damit, jede Woche einen Auftrag zur Erstellung einer Totenmaske zu bekommen. Dafür ist das auch viel zu wenig bekannt. Mir geht es um die Sache. Dass ich davon reich werde, habe ich nie geglaubt.

Die Totenmasken gehören zu den frühesten Zeugnissen der Kultur und sie nahmen in vielen heidnischen Kulten weltweit eine zentrale Rolle ein. Wie kommt es, dass moderne Menschen zu diesem alten Trauerritus zurückkehren?

Im Laufe der Zeit sind viele Traditionen und Riten verloren gegangen oder an den Rand gedrängt worden. Bewusstes Abschiednehmen war vor Jahrzehnten noch ganz anders als heute. Totenmasken waren viele Jahrhunderte lang Herrschern und anderen Berühmtheiten vorbehalten. Erst im 19. Jahrhundert konnten sich auch Bürgerliche so was leisten. Wir wollen das jetzt jedem ermöglichen.

Der typische Kunde, der bei ihnen nach Masken fragt, mit welchen Erwartungen kommt er zu ihnen

Das kann man nicht pauschalisieren. Wir sprechen Betroffene gezielt an und die Erfahrung zeigt: Wer einem Menschen besonders nahe stand, für den ist ein Abbild auch wichtig. Je schlechter des Verhältnis der Angehörigen mit dem Toten war, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die Verwandten eine Totenmaske in der Wohnung hängen haben möchten.

Das Unternehmen

Das Bestattungsunternehmen Stühmer in Bremen wurde 1929 gegründet und wird von Volker Stühmer in der dritten Generation fortgeführt. Seit Herbst 2004 bietet er auf ungewöhnliche Weise an, die Erinnerung an Verstorbenen wachzuhalten. Bundesweit gibt es rund 150 Bestatter, die Gesichtsabdrücke von Toten nehmen.

Apropos Wohnung: Wo stellt, legt oder hängt man eigentlich eine Totenmaske hin?

Die Maske hat zu Hause ihren Platz. Sie sollte dort hängen, wo das zentrale Leben der Familie stattfindet – vielleicht also nicht gerade im Hausflur neben der Garderobe. Es gibt Fälle, da gestalten Angehörige einen Ort in ihrer Wohnung wie einen Altar. Das ist ein extremes Beispiel für intensives Abschiednehmen, etwa beim Verlust des Partners oder eines verstorbenen Kindes. Prinzipiell ist es aber auch möglich, eine Totenmaske auf dem Grabstein zu befestigen – statt einer Fotografie.

Was kostet der Abdruck des "letzten Gesichts" eines Menschen in Gips oder Bronze?

Eine Maske, die wir in Gips fertigen, kostet 899 Euro, eine in Bronze 1895 Euro. Das verfertigen in Bronze ist viel aufwändiger. Es dauert um die fünf Wochen, während man für Gips nur die Hälfte der Zeit braucht.

Es gibt in ihrem Metier eine spezielle Ausbildung zum Totenmaskenbildner. Auf was müssen Sie besonders achten, wenn Sie Abdrücke an einem toten Körper machen?

Das Prägnante bei diesem Verfahren – deshalb ist es auch so teuer – sind die Spezialmaterialien. Das Material braucht auf dem Körper eines toten Menschen viel länger zum Trocknen, da die Haut kalt ist. Wir rechnen im Schnitt mit eineinhalb bis zwei Stunden. Wir benutzen das so genannte "Ekviderm-Verfahren". Damit ist das Verwenden von Spezialsilikon und das Fertigen eines Abdrucks gemeint, der anschließend mit einem Spezialgips ausgegossen wird. Damit unterscheidet sich die Fertigung von den herkömmlichen Gipsabformungen, bei denen Gips direkt auf das Gesicht aufgetragen wird.

Der Verfallsprozess setzt beim toten Menschen sehr schnell ein – besonders an den eingefallenen Gesichtszügen macht sich das bemerkbar. Wie lange dürfen die Menschen in der Regel tot sein, um an ihnen noch Abdrücke nehmen zu können?

Der Verfallsprozess setzt bei jedem Menschen anders ein. Es kommt darauf an, ob die Person in seiner letzten Lebensphase gesund oder krank war. Aber es stimmt: Zu lange darf man mit dem Abdrucknehmen nicht warten. Unsere Regel ist: maximal zwei bis drei Tage nach Eintritt des Todes. Wenn sich ein Gesicht aber stark verändert hat, fragen wir bei den Angehörigen nach: Schaut euch die veränderten Züge an, seit ihr mit diesem Abbild noch einverstanden. Die ganze Sache ist sehr heikel und wir versuchen, extrem pietätvoll damit umzugehen.

Wenn ein totes Gesicht viele Barthaare oder Falten hat, erschwert das ihre Arbeit?

Überhaupt nicht. Unser Mitarbeiter, der das Verfahren an sich erprobt hat, hat selbst einen Vollbart. Die Haare werden vorher mit Fett eingerieben, damit sich der Abdruck einwandfrei lösen lässt.

Werden Totenmasken immer gefragter?

Ich glaube, es wird eher der Einzelfall bleiben, denn es ist eine sehr individuelle Form der Trauerverarbeitung. Zumindest solange Totenmasken noch wenig publik sind. Sie werden nie zum Massenprodukt werden. Die Nachfrage herrscht aber querbeet durch die Gesellschaft. Jeder kann sein privates Ritual haben, dafür wollen wir sorgen.

Das Gespräch führte Claudia Schuh

PRODUKTE & TIPPS