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Kosmetikseminar Den Krebs für ein paar Stunden wegschminken

Sie haben die Haare verloren, die Wimpern, die Augenbrauen. In Kosmetikseminaren lernen Krebspatientinnen, wie sie sich dennoch schön fühlen können - und wie sie die Krankheit für ein paar Stunden vergessen.

Nach eineinhalb Stunden sind die Gespräche fröhlich, die Gesichter strahlen, Sorgen und Traurigkeit sind vergessen. Die acht Frauen, die im Klinikum München-Schwabing um einen Tisch sitzen, haben Krebs. Durch die Chemotherapie haben sie ihre Haare verloren, einigen sind die Augenbrauen und die Wimpern ausgefallen, ihre Haut wirkt brüchig. Doch gerade eben haben sie geübt, wie diese äußeren Merkmale ihrer Erkrankung zu kaschieren sind.

Seit 1995 bietet die DKMS Life, eine Schwesterorganisation der Deutschen Knochenmarkspenderdatei, Kosmetikseminare für Krebspatientinnen an. Rund 52.000 Frauen haben bisher gelernt, wie ein wenig Rouge auf den Wangen den Teint strahlender macht und wie die Augen mit dem Kajalstift ausdrucksstark ummalt werden können.

"Wenn ich besser aussehe, fühle ich mich auch besser"

Auf dem Tisch stehen Puderquasten, Lippenstifte und Cremetöpfchen. Die acht Frauen betrachten die Kosmetikprodukte zunächst zurückhaltend, vereinzelt sogar skeptisch. "Am Anfang hatte ich große Bedenken, ob ich die richtige Tonlage finde, ob ich auf die Frauen auch eingehen kann", gesteht die Kosmetikerin Franziska Biron. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Meike Worgull leitet sie den Kurs. "Wenn ich ein bisschen besser aussehe, fühle ich mich auch besser", sagt Meike Worgull zu den Frauen, die vorsichtig an der Cremedose schnuppern und die Lippenstiftfarbe mustern.

Doch bald legen die Frauen ihre Scheu ab, vergleichen Farbtöne und Schminktechniken, lauschen den Ratschlägen der Expertinnen und machen sich gegenseitig Komplimente, als die Augen geschminkt sind.

Positives Körpergefühl

Man könnte meinen, eine an Krebs erkrankte Frau habe andere Sorgen als die richtige Auswahl an Kosmetika. Aber genau darum geht es: Die Seminare sollten von den Nöten und Problemen der Krankheit ablenken, sagt Eva-Maria Grischke, Leiterin der Frauenklinik im Schwabinger Krankenhaus. "Die Patientinnen sollen ein positives Körpergefühl entwickeln. Auch in dieser schwierigen Situation ist man vollwertig."

Die Chemotherapie und die damit verbundenen Nebenwirkungen schränkten die Lebensqualität sehr ein. "Vor allem Frauen leiden unter dem Haarausfall. Und das ist doch schon sehr belastend, die Frauen fühlen sich minderwertig." Am Anfang der Seminare seien die Patientinnen meist sehr zurückhaltend, doch am Ende des Nachmittags gebe es durchweg positive Rückmeldungen, berichtet Grischke. "So ein Kurs bestärkt die Patientinnen."

Tuch statt Perücke

Die Patientinnen werden nicht geschminkt, sondern sollen Farbe und Pflegemittel selbst auftragen, "schließlich sollen sie sich ja auch zu Hause schminken können und so ihre Lebensqualität trotz Krankheit verbessern", erklärt Kosmetikerin Worgull. "Ich konnte viele Tipps mitnehmen, die das Leben erleichtern", sagt eine 53 Jahre alte Patientin, deren Haare nach der Chemotherapie gerade wieder nachwachsen. Von den Kosmetikerinnen lernen die Frauen, wie man den Haarausfall mit einem Tuch statt mit einer Perücke kaschieren kann, welche Ohrringe besonders gut dazu passen und wie man eine Augenbraue nachmalen kann, ohne dass es maskenhaft wirkt.

Das Projekt der DKMS Life hat ein Vorbild. In den USA heiße es "Look good ... feel better", sagt Sprecherin Rose Krüger. "Mit dieser Hilfe zur Selbsthilfe wird das Selbstwertgefühl gestärkt, das auch den Heilungsprozess fördert." Bisher wurden in Deutschland 5380 kostenlose Kurse angeboten, 760 Krankenhäuser, Beratungsstellen und andere soziale und medizinische Einrichtungen haben sich daran beteiligt. Die Produkte werden von Kosmetikfirmen zur Verfügung gestellt.

Kathrin Zeilmann/DPA DPA

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