Gletscherforschung Spuren der Römer in Eisbohrkern

In den Schweizer Alpen haben Forscher nach Jahrtausende altem Eis gebohrt. Sie hoffen Schadstoffemissionen aus der Römerzeit zu entdecken.

Die Suche nach dem ältesten Eis der Alpen hat Forscher auf 4452 Meter Höhe getrieben. Fast eine Woche hat ein Team unter Leitung des Paul Scherrer Instituts (PSI) das Eis am Colle Gnifetti in der Schweiz durchbohrt. Die Wissenschaftler förderten einen Bohrkern von 85 Metern Länge zu Tage, sagte Professor Heinz Gäggeler, stellvertretender Direktor am PSI.

Eis der letzten Eiszeit?

Nach Schätzung von Glaziologen soll das Gletschereis im Monte-Rosa-Gebiet 2000 bis 10 000 Jahre alt sein. Gebohrt hat das PSI an dieser Stelle schon früher. "Zum ersten Mal nutzen wir aber dieses Archiv, um weiter zurückzugehen – möglicherweise bis zur letzten Eiszeit", schärmt Gäggeler. Die chemische Analyse des Bohrkerns soll klären, wie alt das Eis tatsächlich ist. Mittels der Radio-Carbon-Technik können die Wissenschaftler das Alter der Proben bestimmen. "Diese Methode wurde auch benutzt, um das Alter des Ötzis festzulegen. Sie ist eine gängige Technik in der Archäologie", erklärt Gäggeler.

Klima vor 500 Jahren

Gleichzeitig soll der Bohrkern auch Aufschluss über die Klimaentwicklung der vergangenen 500 Jahre geben. Experten der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich analysieren dafür den Aufbau der Eisschichten. Das Gletschereis ist laut PSI ein optimales Klimaarchiv, denn atmosphärische Spurenstoffe sind in ihm konserviert. Aus der Zusammensetzung der Isotope können die Glaziologen auf die Temperatur der Atmosphäre schließen.

Spezialisten der Universität Venedig wollen mit Hilfe der Proben Erkenntnisse über die Emissionen der Römer vor 2000 Jahren gewinnen. Diese verwendeten für ihre Wasserleitungen und Trinkgefäße große Mengen an Blei. Die bei der Verarbeitung des Bleis entstanden Emissionen lassen sich nach Meinung der Wissenschaftler in dem Eis nachweisen.

Verschmutzung der letzten Jahrhunderte

Bei bisherigen Bohrungen im Monte-Rosa-Gebiet hatten sich die PSI-Forscher vor allem auf die letzten Jahrhunderte konzentriert. Im Gletschereis konnten sie den Grad der industriellen Verschmutzung aufzeigen. Zwischen 1870 und 1975 war nach Analyse des PSI und der Universität Bern der Sulfatgehalt rasant angestiegen. Sulfat entsteht aus Schwefeloxid, das bei der Verbrennung von Kohle und Heizöl entweicht. Weiter zeigen die Messungen, dass die Sulfat-Konzentration in den letzten Jahren abgenommen hat. Dies führen die Glaziologen auf verstärkten Umweltschutz zurück.

Die Ergebnisse der aktuellen Bohrung werden in etwa einem halben Jahr vorliegen, meint Gäggeler. Bis die Untersuchungen abgeschlossen sind, lagert der Bohrkern in den Kühlhallen einer Molkerei. Der Kern – er kommt immerhin fast auf die Länge eines Fußballfeldes – ist einfach zu groß für die Kühlvorrichtungen des Instituts, meinte er.

Irena Güttel

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