MINI NUKE Alte Atomlabors hoffen auf neues Leben

Im jüngst bekannt gewordenen Atomreport des US-Verteidigungsministeriums wird die Entwicklung neuer so genannter Bunkerknacker vorgeschlagen. Diese »Mini Nukes« sollen zukünftig in der Kriegführung eingesetzt werden.

Schon im Juni 2000 warb US-Atomforscher Stephen Younger für eine neue Art von Nuklearwaffen mit begrenzter Sprengkraft, die tief in den Boden eindringen könnten. Mit einer solchen Bombe, so meinte der damalige Top-Wissenschaftler im Atomlabor Los Alamos, könnten viele »harte« Ziele wie Bunker zerstört werden, und das mit geringen Begleitschäden. Heute ist Younger Chef der Pentagon-Abteilung für die Verteidigung gegen Massenvernichtungswaffen und seine Idee von der neuen »Mini Nuke« alles andere als utopisch.

Umstrittener Vorschlag

Im jüngst bekannt gewordenen und umstrittenen Atomreport des US-Verteidigungsministeriums wird die Entwicklung neuer so genannter »Bunker Buster« (»Bunkerknacker«) konkret vorgeschlagen. Inzwischen mehren sich Berichte darüber, dass das zuständige Energieministerium damit begonnen hat, Teams für die Arbeit an der neuen Bombe zusammenzustellen.

Kritik aus dem Ausland

Aus dem Ausland kam Kritik, eine solche neue Waffengeneration würde eine Abkehr von der Abschreckungsstrategie bedeuten und Atomwaffen zu Mitteln der Kriegführung. Trotzdem soll nach Informationen der Zeitung »USA Today« bereits im April mit der Forschung begonnen werden. Zwar will das Pentagon den Kongress vor der Entwurfsphase in ein bis zwei Jahren um Erlaubnis fragen. Aber hält sich die akute Terrorangst in den USA bis dahin, ist eine Zustimmung durchaus möglich.Der alternden US-Atomwaffenindustrie und -wissenschaft könnten die Pläne neues Leben einhauchen. Das gilt vor allem für die Forschungsstätte Los Alamos in New Mexico und das Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien, die mit den »Bunker Buster«- Arbeiten betraut werden sollen. Mangel an anspruchsvollen Aufgaben hat viele der einstigen Spitzen-Atomwissenschaftler nach Ende des Kalten Krieges in andere Forschungsbereiche abwandern lassen oder in den Ruhestand getrieben. Es fehlte an Forschungsaufträgen, an einer »Mission« und zunehmend auch an Prestige.

Das langsame Sterben der Atomindustrie

Die damalige US-Regierung unter Bill Clinton versuchte zwar, dem Frust und der »intellektuellen Verkümmerung« der Atomwissenschaftler durch attraktive zivile Projekte entgegenzuwirken. So entstand zum Beispiel in Livermore der größte Laser der Welt. Aber solche Herausforderungen und das Simulieren von Atomwaffentests per Computer stoppten den Exodus nicht, sondern verlangsamten ihn allenfalls. Waren in der Atomwaffen-Wirtschaft noch vor zehn Jahren rund 100 000 Menschen beschäftigt, ist die Zahl heute deutlich geschrumpft.

Blick auf die neue Bedrohung

Energieministerium und Pentagon wollen nun für die »Mini Nuke«- Forschungen eine Mischung aus »älteren Füchsen« und jüngeren Kräften, »die einen Blick für die neuen Bedrohungen haben«, wie es ein Ministeriumssprecher formulierte. Die neuen Bedrohungen - das sind in den Augen der US-Regierung mögliche Angriffe von Terrorgruppen und den als »Achse des Bösen« geltenden Staaten Irak, Iran und Nordkorea mit Massenvernichtungswaffen. Chemische und Biowaffen, so wird in Washington argumentiert, könnten sehr wohl unterirdisch hergestellt und gelagert werden. Und hier kommen die »Bunker Buster« ins Spiel.Aber längst nicht alle Wissenschaftler glauben, dass eine solche neue Waffe überhaupt technologisch machbar ist. Um tatsächlich Folgeschäden auf der Oberfläche gering zu halten, müsste eine »Mini Nuke« mindestens 70 Meter tief in den Boden eindringen, argumentiert zum Beispiel der renommierte US-Physiker Robert Nelson von der Princeton-Universität. Eine derartige Durchschlagskraft bei gleichzeitiger Sicherstellung einer zeitverzögerten Explosion - nämlich nach Erreichen der nötigen Tiefe - lasse sich aber technisch nicht bewerkstelligen. Dringe die Waffe aber nicht tief genug ein, »dann wird es nach der Explosion auf der Oberfläche tödlichen radioaktiven Schmutz regnen«.

Von Gabriele Chwallek, dpa

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