Tornados Kein amerikanisches Phänomen

15 bis 20 Tornados wirbeln jährlich durch Deutschland. Ihre Schwere ist der amerikanischer durchaus ebenbürtig, wie etwa der "F3"-Wirbelsturm vom Juni 2004 in Schleswig Holstein.

Der Tornado, in der Nacht zum Montag eine Schneise der Verwüstung durch Teile des Ruhrgebiets gezogen hat, ist kein Einzelfall. Und anders als landläufig bekannt, gibt es solche Wirbelstürme bei weitem nicht nur in den USA: 15 bis 20 werden pro Jahr in Deutschland beobachtet, die meisten davon von Mitte Juni bis Ende Juli, wie Nikolai Dotzek vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt am Montag der Nachrichtenagentur AP sagte. Die Schwere der deutschen Tornados ist dabei nach Angaben des Meteorologen amerikanischen durchaus ebenbürtig, auch wenn sie seltener auftreten.

Erst am 23. Juni 2004 hatte es innerhalb weniger Stunden gleich mehrere Tornados in Deutschland gegeben: Allein in Marne in Schleswig-Holstein wurde eine Tornado-Stärke von F2 gemessen, in Micheln in Sachsen-Anhalt sogar von F3, wie Dotzek sagt: "In Micheln war das etwas wirklich Heftiges mit massiven Schäden - auch nach amerikanischen Maßstäben." Binnen weniger Minuten waren dort und in einem Nachbarort 80 Prozent der Häuser schwer beschädigt worden, sechs Häuser wurden gänzlich unbewohnbar. Mehrere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Die Behörden schätzten die Schäden auf zweistellige Millionenbeträge.

F1-Tornados sind harmlos, F5-Tornados verherrend

Ähnlich wie die Richter-Skala für Erdbeben gibt es für Tornados die sogenannte Fujita- oder F-Skala zur Messung der Intensität, wie Jens Hoffmann vom Deutschen Wetterdienst erklärte. Da es nur selten verlässliche Messungen der Windgeschwindigkeiten gibt, wird die Schwere des Tornados über die von ihm verursachten Schäden ermittelt. Grob unterscheidet man Tornados in schwach (bis F1), stark (F2 und F3) und verheerend (F4 und F5).

In den letzten Jahren werden laut Dotzek, der 1997 mit "torDACH" ein ehrenamtliches Netzwerk von Meteorologen und anderen Fachleuten zur Erfassung lokaler Unwetter gründete, auch in Deutschland immer mehr Wirbelstürme beobachtet. Hintergrund ist aber nach seiner Einschätzung nicht etwa eine generelle Zunahme der Tornadohäufigkeit. Vielmehr gebe es eine höhere Sensibilität und einen besseren Informationsaustausch der Beobachter. "Bei den starken und verheerenden Tornados ist sogar eine prozentuale Abnahme im Laufe der Zeit zu sehen", so der Wissenschaftler.

Tornados haben wenig mit der Klimaerwärmung zu tun

Schon auf Grund dieser Daten könne ein Zusammenhang zwischen Klimaerwärmung und Tornado-Häufigkeit nicht hergestellt werden, sagt Dotzek. Zudem sind nach seiner Einschätzung lokale Effekte für kleinräumige Ereignisse wie Gewitter viel entscheidender als weltweite Veränderungen. Großräumige Ereignisse wie Winterstürme oder Hurricans seien dagegen "besser an die globale Temperatur gekoppelt".

Peter Werner vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung hat dagegen auch bei nur örtlich auftretenden Gewittern eine deutliche Veränderung festgestellt: Seit den 1960er Jahren gibt es nach seinen Angaben im Raum Potsdam deutlich mehr Schauerniederschläge, während der früher häufige Landregen abgenommen hat. Hintergrund sei, dass wegen der höheren Lufttemperatur in Folge der Klimaerwärmung die Verdunstung und damit die Luftfeuchtigkeit angestiegen sei. Die damit erhöhte Verdunstungsenergie werde bei der Wolkenbildung wieder freigesetzt, in Folge dessen komme es häufiger zu Gewittern mit Starkniederschlägen.

"Die Energie steckt im Wasserdampf"

Ähnlich äußerte sich Johann Feichter vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie: "Die Energie steckt im Wasserdampf. Er ist der Motor für ein Gewitter." Mit der gestiegenen Lufttemperatur müsse man sich auch auf eine Zunahme der Gewitter einstellen.

Und aus einem Gewitter kann eben auch ein Tornado entstehen, wie Hoffmann erklärte. Bei einem solchen Wirbelsturm handele es sich um ein "kleinräumiges Ereignis mit einer rotierenden Strömung um eine vertikal stehende Achse". Häufig gebe es schon in kräftigen Gewitterzellen solche Rotationen. Wenn dieser Wirbel bis auf den Boden reicht und dort Schäden verursacht, spricht man traditionell von einer Windhose. Wenn der Wirbel über dem Meer die Wasseroberfläche erreicht von einer Wasserhose.

Da diese Begriffe in den vergangenen Jahrzehnten aber sehr ungenau, zum Teil schon für "einfache Gewitterböen" verwendet worden seien, sei zur Klarstellung der Begriff Tornado besser, erklärte Dotzek. Die Lebensdauer eines solchen Tornados beträgt laut Hoffmann manchmal nur wenige Minuten. Typische Spurlängen sind ebenfalls nur einige Kilometer. Tropische Wirbelstürme wie Hurrican oder Taifun seien damit allein wegen ihrer ungleich größeren Dimension nicht zu vergleichen.

Auch wenn es in Deutschland immer mal wieder Tornados gibt, muss sich nach Einschätzung von Dotzek "hier niemand Angst machen". Trotz der zehn bis 20 Mal höheren Tornado-Häufigkeit in den USA sei die Gefahr auch dort nicht so groß: "Auch in Oklahoma kann man ein alter Mann werden, ohne je ein solches Ereignis gesehen zu haben."

AP
Angelika Bruder/AP

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