Zum dritten Mal in Folge haben die Naturschützer mit dem Zaunkönig einen "Vogel des Jahres" gekürt, der in seinem Bestand nicht gefährdet ist. Doch wie schon der Haussperling (2002) und der Mauersegler (2003) steht der Winzling für ein ganzes Gefolge von Tieren und Pflanzen, die auf eine intakte natürliche Umgebung angewiesen sind. Und der "König des Unterholzes", der es feucht mag, findet immer seltener entlang von Bachläufen und Grabenrändern ein passendes Domizil.
Eigentlich hat der Zaunkönig einen irreführenden wissenschaftlichen Namen: Troglodytes troglodytes. Ein "Troglodyt" ist eigentlich ein Höhlenbewohner. Doch dort ist der Vogel eher selten anzutreffen. Der Naturschutzbund NABU weist darauf hin, dass der Singvogel unterholzreiche Wälder und Feldgehölze bevorzugt und auch Gärten und Parks gerne besiedelt, die ausreichend Deckung für ein ungestörtes Brutgeschäft bieten.
Im Volksmund heißt der Vogel auch "Mäusekönig" oder "Zaunschlüpfer": Fast mäusegleich huscht er in unmittelbarer Bodennähe von einem Versteck zum anderen. Mit seinen kurzen Flügeln gilt der Zaunkönig als schlechter Flieger. Er bewegt sich stattdessen vorwiegend hüpfend im Gebüsch fort.
Nester in Hosentaschen und Konservendosen
Der Zaunkönig ist einer der kleinsten Vögel Europas und wiegt gerade einmal zehn Gramm. Sein rostbraun gebändertes Gefieder sogt für perfekte Tarnung im Unterholz. Auffällig ist sein steil aufgerichteter Schwanz. Sein spitzer und leicht gebogener Schnabel kennzeichnet ihn als typischen Insektenfresser.
"Was dem Zaunkönig an äußerer Pracht fehlt, macht er mit seinem laut schmetternden, unverwechselbaren Gesang wett", erklären die Naturschützer. Das singende Männchen erreicht trotz seiner geringen Größe eine Lautstärke von bis zu 90 Dezibel. Der Vergleich mit dem gleich lauten Zugverkehr hinkt. Auch würde niemand dem Winzling vorwerfen, die Grenze zu überschreiten, ab der Hörschäden auftreten. Sein Gesang ist auf einer Distanz bis zu 500 Metern zu hören.
Sein markanter Gesang gilt vor allem den "Zaunköniginnen", die das Männchen auf diese Weise in sein Revier locken will. Schon im März beginnt er mit dem Nestbau. Charakteristisch sind seine Kugelnester mit dem seitlichen Einschlupfloch. Baumaterial sind feuchte Blätter, Halme, Wurzeln und kleine Äste.
Aus menschlicher Sicht ist der Vogel regelrecht bauwütig. Er bietet den Weibchen mehrere kugelige Nester zur Auswahl an. Bis zu zwölf Wahlnester wurden gezählt. Wählt das Weibchen eines davon aus, steht der Paarung nichts mehr im Wege. Die „Zaunkönigin“ sorgt für die perfekte Auspolsterung des Nestes und legt im April fünf bis acht rostbraun gefleckte Eier. Die Jungen schlüpfen nach 14 bis 18 Tagen und verbringen weitere 10 bis 15 Tage im Nest.
Auch wenn es zum „Allerweltsvogel“ Zaunkönig laut NABU wenige Untersuchungen über Bestandszahlen und Siedlungsdichte gibt, steht fest, dass er zu den häufigsten Arten in Europa zählt. Die aktuelle Liste der Brutvögel Deutschlands nennt für den Zaunkönig zwischen 1,5 und 2,2 Millionen Brutpaare im Bundesgebiet. Weltweit zählt diese Vogelfamilie 60 verschiedene Zaunkönig-Arten.
Fachleute bezeichnen den Bestand in unseren Breiten als stabil. "Dennoch gibt es Einflüsse und Entwicklungen, die auch dem Zaunkönig und mit ihm zahlreichen anderen Arten seines Lebensraumes zusetzen", schreibt der NABU. "Mit dem Zollstock geplante und unnatürlich aufgeräumte Gärten, Parks und Wälder bieten dem Zaunkönig keinen geeigneten Lebensraum."
Doch auch der Zaunkönig hat seine Anpassungsfähigkeit unter Beweis gestellt: Seine Nester wurden in alten Briefkästen und leeren Blumentöpfen gefunden. Auf der Liste kurioser Brutorte findet man auch Hosentaschen von alten Kleidungsstücken, die längere Zeit über einen Zaun hingen, und ausgediente Konservendosen.