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Vergessene Frauen Vera Gedroits – diese Prinzessin rettete unzählige Soldaten auf dem Operationstisch

 Vera Gedroits ging eine Ehe ein, soll aber offen lesbisch gelebt haben.
 Vera Gedroits ging eine Ehe ein, soll aber offen lesbisch gelebt haben.
© Commons
Als junge Frau agitierte Vera Gedroits gegen den Zaren, im russisch-japanischen Krieg versorgte sie seine Soldaten. Der aggressive Stil der Chirurgin brach mit der medizinischen Tradition und rettete die Schwerverletzten.

Am 22. Februar 1905 war die Schlacht um Mukden für die Armee des Zaren verloren. Nach dem Fall von Port Arthur griff die Kaiserlich Japanische Armee die Stellungen der Russen mit mehreren Angriffsspitzen an. Heute kennt im Westen niemand mehr diese Schlacht, in der damals 600.000 Soldaten kämpften.

Vor der Stadt operierte die Ärztin Vera Gedroits, sie war für die Kranken und Verwundeten in einem großen Feldhospital verantwortlich, das sich um ihren Krankenhauszug gebildet hatten. Die Prinzessin entschied sich, die Kranken nicht im Stich zu lassen. Mitten in der Nacht unter dem Grollen der Kanonenabschüsse evakuierte sie den abgedunkelten Zug. Die Truppen in der Umgebung waren bereit, solange Widerstand zu leisten, bis die Verwundeten evakuiert worden waren, auch wenn sie selbst abgeschnitten würden.

Auszeichnungen für Tapferkeit

Während die Lok durch die Nacht rumpelte, operierten Gedroits und ihr Team unentwegt, um die am schwersten Verwundeten zu retten. Immer in Angst, dass der Gegner den Zug entdecken und unter Feuer nehmen könnte. Für ihre Tapferkeit erhielt sie unter anderem die Spange des Ordens der Heiligen Anna und das Band des Heiligen Georg - die höchsten Auszeichnungen des Zarenreiches.

Das 55. Regiment rückt in der Schlacht von Mukden vor.
Das 55. Regiment rückt in der Schlacht von Mukden vor.

Dabei war Vera Gedroits als junge Frau vor der zaristischen Geheimpolizei in die Schweiz geflohen. In Lausanne studierte sie Medizin, denn die Schweiz war eines der wenigen Länder, die damals weibliche Medizinstudenten akzeptierte. Zurück in Russland baute sie ein modernes Krankenhaus für die Zementfabrik Maltsov im Bezirk Chizdrinsky auf. Eher durch einen Zufall der Arbeitsabläufe in der Fabrik operierte sie viele der Arbeiter in der Bauch- und Leistengegend. Eine Fertigkeit, die ihr später zu nutzen kam.

Mit dem Krankenhauszug an der Front

Denn 1904 brach der russische-japanische Krieg aus, dessen desaströser Verlauf das Schicksal des Zarenhauses besiegelte, auch wenn die Zeitgenossen das nicht wissen konnten.

Die energische Gedroits organisierte ein mobiles Hospital – untergebracht in einem Zug, bezahlt von den Adeligen. Das Personal bestand aus Freiwilligen. An der Front brach Gedroits mit den Methoden der Militärmedizin. Das sonst so rückständige Russland hatte fast 80 Krankenhauszüge im Einsatz, das war außerordentlich modern. Zug und Hospital, das in den Häusern eines Dorfes untergebracht war, organisierte die Gedroits nach den Methoden eines modernen Krankenhauses. Was vor allem bedeutete, dass sie für Sauberkeit und Hygiene sorgte.

Darüber hinaus brach Vera Gedroits mit der bisher gängigen Praxis aller Militärärzte, möglichst keine Operationen bei Schuss- oder Stichverletzungen im Unterleib durchzuführen. In den Kriegen zuvor vermied man es, die Bauchdecke zu öffnen. Wer innere Verletzungen hatte, musste entweder Glück haben oder er starb. Für diese Zurückhaltung gab auch einen Grund: Das Niveau der Ärzte war generell nicht hoch genug nicht für derartige Operationen, außerdem war es meist nicht möglich, im Feld eine sterile Umgebung zu erzeugen. Eine Operation hätte mit ziemlicher Sicherheit zu einer Infektion geführt, also überließ man die Verwundeten sich selbst.

Kühner, energischer Stil

Gedroits erkannte nun, dass viele Personen mit inneren Verletzungen gerettet werden konnte, wenn man nur bereit war, rasch zu operieren. Und sie sah, dass selbst eine Verletzung des Darms nicht tödlich sein musste. Dr. Gedroits' aggressives chirurgisches Management verletzte die Vorschriften und widersprach dem nichtoperativen Klima, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorherrschte, schrieb Ben J. Wilson 2007.

Dabei erkannte sie, wie entscheidend der Faktor Zeit war. Und sie zog die Konsequenz, so nah wie möglich an der Front zu operieren – bei Bauchwunden blieben kaum drei Stunden, um den Patienten zu retten.

In sechs Tagen im Januar 1905 führte Vera Gedroits 56 große chirurgische Eingriffe durch.

Im übertragenen Sinn kann man sagen, dass ihre Praxis des entschlossenen Handelns die spätere Kriegsmedizin vorwegnahm. Doch obwohl Vera Gedroits ihre Methoden und Erfahrungen akribisch festhielt, gingen ihre Erkenntnisse doch verloren. Im Ersten Weltkrieg hätten Tausende gerettet werden können, wenn sich ihre Art der Behandlung durchgesetzt hätte. Nachdem das Blutbad des Ersten Weltkrieges begann, dauerte es etwa zwei Jahre bis in Großbritannien die Ärzte Owen Richards und Cuthbert Wallace die Form der Behandlung neu entdeckten, die Gedroits zehn Jahre zuvor erprobt hatte.

Anhängerin der Zarenfamilie

Nach dem Krieg verblieb Vera Gedroits im Kreis des Zarenhofes, ohne Frage war sie eine überzeugte Royalistin. Von ihr wird berichtet, dass sie es wagte, den unheimlichen Wundermönch Grigori Rasputin beiseitezuschieben. Die Tochter des Hausarztes der Kaiserin schrieb: "Mademoiselle Gedroits, die mit ihrer großen Größe ein wenig wie ein Mann aussah, war eine imposante Frau. Als Rasputin keine Anzeichen machte, dass er sich bewegen wollte, packte sie ihn an den Schultern und stieß ihn hinaus in den Flur und schloss die Tür vor seinem Gesicht."

1917 kehrte sie mit dem 6. Sibirischen Schützenregiment an die Front zurück. Sie wurde verletzt und nach Kiew evakuiert. Dort wurde sie zum Professor für Medizin ernannt. 1929 wurde sie Leiterin der Chirurgie-Abteilung des Instituts. Sowjetische Säuberungen führten zu ihrer Entlassung.

1932 starb Vera Gedroits an Krebs.

Quellen: US National Library of Medicine; BBCSemantic Scholar

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