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So wäscht die Welt Die Griechen mögen's heiß, die Deutschen kontrolliert

Heiß, schnell, kontrolliert oder hemmungslos - richtiges Wäschewaschen wird überall auf der Welt anders interpretiert.
Heiß, schnell, kontrolliert oder hemmungslos - richtiges Wäschewaschen wird überall auf der Welt anders interpretiert.
© colourbox.com
Die einen mögen's kontrolliert, die anderen hemmungslos und die nächsten am liebsten heiß oder mit Musik. Nein, es geht nicht um Sex, sondern um die Frage, wie die Welt ihre schmutzige Wäsche wäscht.
Von Doris Schneyink

Wie soll man ihren Job bloß beschreiben? Globale Fleckenforscherin? Blut-Schweiß-und Tränen-Spezialistin? Ja, das kommt der Sache schon ziemlich nahe. Kathrin Redlin kümmert sich hauptberuflich um die Bekämpfung von Flecken, genauer gesagt um: Rotwein. Ruß/Mineralöl, Kakao, Blut, Hautfett. Das nämlich sind die amtlich anerkannten Flecken in Europa. Und weil in Europa alles geregelt ist, gibt es auch für Flecken eine Norm. Die ISO 60456.

Häufig sieht man die Textil-Ingenieurin mit einem Wäschekorb unter dem Arm durch die langen Flure des "Wäsche-Pflege-Zentrums" ihres Arbeitgebers, der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH laufen. Zum "Fernsehgucken", wie sie es nennt. Stundenlang hockt sie dann im Prüflabor vor den Waschtrommeln und beobachtet, was passiert, wenn man italienische Hotelbettdecken aus Pferdehaar kocht, deutsche Outdoor-Jacken einweicht, sechs Meter lange, indische Saris schleudert.

Der Blick in die Waschtrommel mag auf die meisten Menschen eher einschläfernd wirken, für Kathrin Redlin ist er eine Offenbarung. Ein Blick in die Seele der Nationen. "Jedes Land hat seine eigene Wasch-Mentalität", findet sie.

Denn über die Frage, wie man Flecken am besten herauswäscht, herrscht ähnlich viel Uneinigkeit wie bei der Bekämpfung der Euro-Krise. Manche mögen's heiß, andere lieber kalt und wieder andere nur geschüttelt, nicht geschleudert.

Die Deutschen: individuell und kontrolliert

Nehmen wir die Deutschen. Die wollen den Waschvorgang möglichst genau kontrollieren. "Alles soll individuell einstellbar sein", sagt Kathrin Redlin, die Temperatur, die Frequenz des Schleudergangs, die Wassermenge. Also baut Bosch Siemens für die Deutschen Waschmaschinen mit einer Bedienleiste, die aussieht wie ein Flugzeugcockpit.

Völlig undenkbar in Frankreich. Die Franzosen ziehen das hemmungslose, unkontrollierte Waschen vor, "der französische Kunde hätte am liebsten nur einen einzigen Knopf, dann soll die Maschine vollautomatisch alles erledigen", sagt Kathrin Redlin.

China: Waschmaschine im Wohnzimmer

Der aufstrebenden chinesischen Mittelschicht hingegen gilt die Waschmaschine als Statussymbol. Gern wird sie im Wohnzimmer aufgebaut, um dann live vor geladenen Gästen loszuschleudern. Wenn sie dabei noch Musik macht, finden das alle großartig. Also hat Bosch Siemens für den chinesischen Markt Musikchips eingebaut.

In den Augen der designbewussten Italiener oder Spanier sind und bleiben Waschmaschinen hässliche Dinger, da würde nicht einmal ein Ferrari-Rot helfen. Also stellen sie die Geräte gern auf den Balkon und einen Waschmaschinenhersteller damit vor große Probleme: "Bei einer Außentemperatur von sechs Grad im Winter dauert es lange, bis das Wasser aufgeheizt ist", sagt Kathrin Redlin. Ganz schlecht für die Energieeffizienz. Und alle Völker dieser Welt wollen doch Strom sparen. Naja, fast alle.

Stromfresser-Programm in Griechenland

Die Griechen kochen ihre Wäsche am liebsten bei 90 Grad. Ein echtes Stromfresserprogramm. "Wir haben keine Ahnung, warum das so ist, überall auf der Welt sinken die Waschtemperaturen, nur in Griechenland nicht", grübelt die Wäscheexpertin. Aber ihr Job ist es nicht, andere moralisch zu belehren, sondern für jeden Waschzwang dieser Welt das passende Programm entwickeln. Ihr Arbeitgeber, die Bosch Siemens GmbH ist mit dieser toleranten Grundeinstellung zu einem der größten Haushaltsgeräte-Hersteller der Welt aufgestiegen, Jahresumsatz: 10,5 Milliarden Euro.

Verschwenderisch in den USA

In den USA, um das mal ganz nebenbei zu erwähnen, hat man übrigens gar kein Verständnis für die Griechen. Seit jeher wäscht der Amerikaner seine Wäsche eher kalt und setzt entsprechend mehr Chemie ein. Der durchschnittliche amerikanische Fleck wird folglich eher ausgeblichen als herausgewaschen. Und wenn die Amerikaner Europäer etwas muffig finden, kann die Wäscheexpertin Kathrin Redlin auch das gut verstehen. "Die Europäer nutzen Textilien mehrmals, in den USA wandert alles nach dem ersten Tragen in den Wäschekorb." So bringt es eine durchschnittliche vierköpfige Familie hierzulande auf 200 Waschzyklen im Jahr, gefüllt mit je drei bis vier Kilo. Der Amerikaner jagt doppelt so viel Wäsche durch seine Maschinen.

Harte Nuss: Der indische Markt

Viel Kopfzerbrechen bereitete Kathrin Redlin der indische Markt. Erstens kommt der sechs Meter lange Sari, den sie beim Schleudern im Prüflabor beobachtet hat, als dicker Knoten aus der Maschine, was gar nicht geht. "Wir haben eine spezielle Trommelbewegung entwickelt, die das verhindert", überlegt die Ingenieurin.

Und dann ist da noch die Sache mit dem "regionalen Fleck". Curry. Wer in Indien Waschmaschinen verkaufen will, dem hilft die europäische Norm 60456 herzlich wenig, der muss nachweislich Curryflecken wegbekommen. Schwierig. "Gegen Curry können Sie wenig machen, höchstens bleichen", sagt die Ingenieurin.

Das Leben ist eine schmutzige Angelegenheit. Niemand weiß das besser als Kathrin Redlin. Sie kann die Welt nicht besser machen. Nur ein bisschen sauberer.

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