Wieviele es sind, weiß keiner genau. Zwischen 200.000 und 400.000 illegale Einwanderer leben in Frankreich, viele von ihnen arbeiten in Restaurants, Baufirmen oder Putzkolonnen. Nun sind 600 illegal Eingewanderte in Streik getreten - und es werden rasch mehr. Sie gehen aufs Ganze: Aufenthaltsrecht oder Ausweisung. Acht von neun, so schätzt ein Sprecher der Bewegung, dürften mit ihrem Anliegen durchkommen. Den anderen droht die Einweisung in die Zentren, in denen illegale Einwanderer auf ihre Abschiebung warten.
"Es wird Sommer, dann wird es im Restaurant brechend voll, dann braucht uns der Chef", sagt Suleiman H., derzeit streikender Koch im Pariser "Café de la Jatte". "Jetzt war der richtige Zeitpunkt". Sie sind neun dort in der Küche, alles Schwarze, fest angestellt. Alle streiken, um endlich eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen.
Das Restaurant ist geschlossen, an der Fassade hängen Transparente. Das Küchenpersonal ist fast vollständig im Saal versammelt, es wird palavert und telefoniert, die Stimmung ist aufgeheizt. Sie benutzen das Restaurant als Zentrale und Restaurant-Besitzer Gilles Caussade lässt sie gewähren. "Ich stehe hinter ihnen", sagt er am Telefon. "Ich brauche die Jungs".
Sarkozy, bekocht von einem Illegalen
Sarkozy war im "Café de la Jatte" auch schon Gast; bekocht von einem illegalen Einwanderer. Das Restaurant macht Werbung mit seinem besonders flinken Service, der Rücksicht auf die engen Termine der Geschäftsleute nimmt, die dort ihr Business-Lunch einnehmen. Suleiman H. arbeitet seit fünf Jahren dort. Der 46-Jährige kam vor 19 Jahren aus Mali nach Frankreich und arbeitet seitdem fest angestellt in der Gastronomie.
Wie das geht, ohne Arbeitserlaubnis eine Festanstellung zu bekommen? Dass ein Land Steuern kassiert von einem Bürger, der gar keiner sein darf? Suleiman H. hat es gemacht, wie es seine "Brüder" - seine Landsleute, die vor ihm nach Paris kamen - ihm empfahlen: Er hat die Papiere von einem Freund oder Bekannten ausgeliehen und dem Arbeitgeber vorgelegt. Suleimann H. hat Familie, sein Leben ist hier - er könnte doch ausgewiesen werden? Er lacht. Freilich, die Möglichkeit besteht, aber er ist zuversichtlich.
Arbeitgebern droht Haft
Schon seit Jahren gibt es Vereinigungen, die sich für illegale Einwanderer einsetzen - aber der Streik hat jetzt dazu geführt, dass sogar Arbeitgeberverbände den Einwanderungsminister beknieen, doch die Streikenden in Gnaden in die französische Republik aufzunehmen. Das ist eine Premiere. Ein Wunder ist es nicht: Schließlich drohen einem Arbeitgeber, der Illegale beschäftigt, eine Strafe von bis zu 15.000 Euro und sogar Haft! Die Streikenden haben somit ihre Arbeitgeber in Zugzwang gebracht.
Wieso jetzt diese Aktion? Suleiman H. hat eigentlich nur auf die Gelegenheit gewartet, und als die ersten anfingen zu streiken, hat er sich angeschlossen. Er kennt die Vereinigung "Droit Devant" ganz gut, die die Streiks gemeinsam mit der kommunistischen Gewerkschaft CGT organisiert hat - sie hilft illegalen Einwanderern. Werbung braucht sie nicht, Mund-zu-Mund-Propaganda macht sie bekannt bei der Zielgruppe. Also hat er Kontakt aufgenommen, sich beraten lassen, und hat seine Kollegen mit ins Boot geholt: "Das ist fast wie Ferien", sagt er fröhlich.
"Der Druck darf nicht nachlassen"
Gemeinsam verfolgen sie, wie sich die Sache entwickelt: Der Einwanderungsminister Brice Hortefeux hat schließlich in ein Treffen mit der Gewerkschaft CGT eingewilligt, die den Streik mit anführt. Und eine rasche Bearbeitung der Anträge versprochen, was Sache der Präfekten (also der jeweiligen Regionalverwaltung) ist. Bis dahin, das ist auch für Suleiman H. klar, wird weiter gestreikt - sie kennen ihre Pappenheimer, die langsamen Verwaltungen: "Auf keinen Fall darf jetzt der Druck nachlassen", sagt er.
Nur Betroffene, die in Sektoren mit Arbeitskräftemangel arbeiten, werden eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, das hat der Einwanderungsminister gleich klar gemacht. Die französische Regierung versucht das Ganze klein zu halten, denn es handelt sich um ein Politikum: Sarkozy hat sich schließlich als Hardliner in Sachen Einwanderung profiliert - erklärtermaßen, um dem rechtsradikalen Front National Stimmen abzujagen, und das hat funktioniert. Eine spanische Lösung - dort wurden vor drei Jahren 580.000 Angestellte ohne Aufenthaltserlaubnis legalisiert - ist also vorerst in Frankreich nicht in Sicht.