Fragen und Antworten Russland könnte ukrainische Waffen bezahlen

Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 begonnen
Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 begonnen
© Contributor / Getty Images
Nach Kriegsbeginn froren die Europäer russisches Vermögen ein. Damit soll die Ukraine in Zukunft ihre Verteidigung finanzieren. Eine Einigung in der EU gestaltet sich aber schwierig.

Finanziert Russland demnächst die ukrainische Verteidigung mit? 

Das könnte bald Wirklichkeit werden. Seit Kriegsbeginn sind russische Vermögenswerte in Europa eingefroren, sie gehören vor allem der russischen Zentralbank. Ursprünglich waren sie als Staatsanleihen westlicher Länder angelegt, wurden dann fällig und zurückgezahlt. 140 Milliarden Euro liegen auf Konten des Finanzinstituts Euroclear, einer Abwicklungsgesellschaft für Wertpapiere in Belgien. Bislang werden der Ukraine nur Zinsen überwiesen. Jetzt soll das Geld vollständig der Ukraine zur Verfügung gestellt werden, damit sich das Land auch weiterhin gegen die russischen Angreifer verteidigen und europäische Waffen kaufen kann. 

So soll vor allem die Finanzhilfe aus Washington ersetzt werden, die Donald Trump gestoppt hatte. Das russische Vermögen solle jedoch keineswegs konfisziert werden, darauf besteht die EU-Kommission. Der Ukraine soll es als sogenannte "Reparationsanleihe" zur Verfügung gestellt werden. Kiew muss das Geld also nur zurückzahlen, wenn Russland Reparationszahlungen leistet, etwa nach einem Friedensdeal. Moskau erhielte die eingefrorenen Vermögenswerte dann zurück. So wollen die Europäer rechtliche Bedenken entkräften: Niemand würde enteignet, das russische Vermögen bliebe erhalten. Der Ausgangspunkt der Idee ist natürlich optimistisch – und ein wichtiges Problem verschoben: Wenn es keine Reparationszahlungen gibt, müssen entweder die Europäer langfristig russische Ansprüche begleichen. Oder das Geld wird doch noch konfisziert. 

Beim Herbstgipfel der Staats- und Regierungschefs wurde die EU-Kommission damit beauftragt, so bald wie möglich einen Vorschlag dazu vorzulegen. Die Formulierung blieb allerdings weit hinter der ursprünglich anvisierten Einigung zurück. So wurde die Verwendung der russischen Vermögenswerte nicht explizit als eine der Optionen genannt.

Schadet ein solcher Schritt nicht dem Ruf Europas? 

Das werfen die Kritiker ein. Ausländische Großinvestoren, etwa aus dem arabischen Raum, könnten um ihre Vermögen in Europa fürchten und ihr Geld abziehen. Besonders Belgien meldete Bedenken und blockierte einen deutlicheren Auftrag des Rats an die Kommission, konkrete Vorschläge für eine rechtssichere Umsetzung zu machen. Ministerpräsident Bart de Wever fürchtet, Belgien würde in den Fokus russischer Rache rücken: Ein großer Teil der eingefrorenen russischen Vermögen liegt im belgischen Finanzinstitut Euroclear. Auf Dringen Belgiens hin soll die Kommission auch mögliche andere Optionen erarbeiten, wie der Finanzbedarf der Ukraine für die Jahre 2026 bis 2027 gedeckt werden könnte.

Wie reagiert Russland darauf? 

Moskau drohte bereits mit einer "schmerzhaften Reaktion". Marija Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, sprach von "Diebstahl". Der belgische Ministerpräsident Bart De Wever erklärte: "Wenn sie Putins Geld wegnehmen, wird er unser Geld wegnehmen." Das fürchten auch deutsche Firmen. Ausländische Unternehmen, die ihre Fabriken in Russland nach Beginn des russischen Angriffskrieges verkauft hatten, mussten die Erlöse auf ein russisches Sperrkonto zahlen. Darauf haben die Unternehmen nur begrenzt Zugriff. Die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer warnte, der Schritt könne auch Folgen für deutsche Unternehmen haben. Mehr als 100 Milliarden Euro seien in Gefahr. Es gehe um den Wert deutscher Fabriken und Ladenketten. Betroffen seien aber auch Unternehmen in den Bereichen Energie, Pharma und Haushaltsgeräte, die Moskau unter Fremdverwaltung gestellt habe. Russland hat beispielsweise die Kontrolle über die russischen Tochtergesellschaften der deutschen Energiefirmen Uniper und Wintershall übernommen. "Deutschland hat wie kein anderes Land in Russland investiert", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, Matthias Schepp. "Es hat deshalb bei der geplanten Nutzbarmachung russischer Zentralbankgelder für Waffenkäufe zugunsten der Ukraine am meisten zu verlieren."

Wann könnte das Vorhaben umgesetzt werden? 

Von einer Einigung auf eine Nutzung des eingefrorenen Vermögens bleibt die EU ein ganzes Stück entfernt. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte vor drei Wochen noch die Erwartung geäußert, es werde beim Gipfel "aller Voraussicht nach dazu eine konkrete Entscheidung geben". Der jetzige Beschluss ist nur ein erster Schritt in diese Richtung und nicht das erwartete starke Signal an Russland. Angesichts der Bedenken Belgiens bleibt unklar, ob die Pläne am Ende wirklich umgesetzt werden können. Eine Entscheidung könnte spätestens auf dem EU-Gipfel im Dezember fallen, sagte ein EU-Diplomat der Nachrichtenagentur Reuters.

mit DPA, Reuters und AFP

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