"Wir kennen unsere Gangster besser als die Amerikaner", sagt Major Ali Suadi. "Gebt uns die Ausrüstung und die Befugnisse, dann geben wir eine Garantie für die Sicherheit in der Stadt." Major Suadi gehört zur neu formierten Polizei im Irak und ist Chef im Bagdader Stadtteil Alwija. Für die Jagd auf Verbrecher ist seine Dienststelle nur bedingt gerüstet. "Wir haben ein großes Viertel und nur zwei Autos, einen Kleinbus und einen Kleinlastwagen", sagt Suadi. "Außerdem funktionieren die meisten Kalaschnikows nicht richtig, und es gibt keine Satellitenhandys für die Kommunikation untereinander." Das ist ein entscheidender Nachteil im Kampf gegen Diebe und Verbrecher, weil das Telefonfestnetz nach den US-Angriffen weitgehend außer Betrieb ist.
Gefühl der Bedrohung
Nach dem Ende von Saddam Husseins 25-jähriger blutiger Willkürherrschaft fühlen sich viele Iraker erneut bedroht. Seit dem offiziellen Ende der Kampfhandlungen sieht sich die Bevölkerung mit einem neuen Phänomen konfrontiert. Diebes- und Kidnapper-Banden verbreiten Angst und Schrecken. Car-Jacking, den Irakern bisher nur aus Filmen bekannt, ist gang und gäbe. "Man kann nicht mehr sicher von einer Straßenseite zur anderen gehen", lautet eine der gängigen Übertreibungen. Vor dem Krieg konnte man in der Fünf-Millionen- Metropole Bagdad abends noch sorglos bummeln.
Alle Bemühungen um Wiederaufbau kämen nicht ohne Sicherheit voran, und Sicherheit gebe es nicht ohne Fortschritte beim Wiederaufbau, beschreibt US-Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz nach einem Besuch im Irak die Sisyphus-Aufgabe der alliierten Besatzungsmächte.
Schaden soll verringert werden
Der Durchbruch an der zerbröselten Sicherheitsfront soll jetzt mit einem Doppelschlag kommen. Zum einen machen US-Soldaten Jagd auf den inneren Zirkel des Ex-Regimes von Saddam Hussein, auf Mitglieder seiner Fedajin-Kommandos, militante Iraker, ausländische Kämpfer und Terroristen. Das Problem: Der Oberbefehlshaber der US-Bodentruppen im Irak, General Ricardo Sanchez, räumte ein, dass manche der "aggressiv und entschieden durchgeführten Razzien" offensichtlich selbst für die von Saddam geplagten Iraker über das Ziel hinausgeschossen sind. "Wir wollen uns keine neuen Feinde unter den Irakern machen", betont er. Die Militäreinsätze sollten künftig präziser erfolgen und der Schaden verringert werden.
Zum anderen soll die neu formierte Polizei nach Vorstellungen der Besatzungsmächte den Kriminellen das Handwerk legen. Das Gehalt ist mit 300 US-Dollar im Monat rund drei Mal höher als zu Vorkriegszeiten. Polizeimajor Suadi findet aber, "dass das Geld nicht den neuen Gefahren entspricht". "Es gibt mehr Kriminelle als vor dem Krieg. Das ist sicher", sagt der 30-Jährige. Diebstahlsdelikte wie Einbrüche in Häuser seien inzwischen rückläufig wegen der Ausgangssperre und einfacherer Methoden, schnell zu Geld zu kommen. "Banden überfallen Autofahrer und stehlen dann entweder nur das Bargeld oder das Fahrzeug oder beides", sagt Suadi.
Mit Sondereinheiten gegen die ganz dicken Fische
Weil die Sicherheitslage maßgeblich darüber entscheiden wird, ob das Sympathiependel der Iraker für oder gegen die alliierten Besatzer ausschlägt, rücken Sondereinheiten der Polizei gegen die ganz dicken Fische vor. Nach einer Serie von spektakulären Entführungsfällen wurden in drei Wochen vier Entführer-Banden festgenommen. Auf Märkten sind Polizisten in Zivil unterwegs.
"Die Sicherheitslage in Bagdad ist viel besser geworden", sagt der US-Berater im provisorischen Innenministerium, Bernard Kerik. "Wir bekommen zehn Mal mehr Informationen als noch vor zwei Wochen. Das zeigt, dass die Menschen langsam mehr Vertrauen in in die Polizei gewinnen." Kerik, ein New Yorker Polizeioffizier, greift mit harter Hand durch. Weil ein irakischer Polizeidienststellenleiter nicht richtig auf das Verschwinden eines Mädchens reagiert hatte, musste er seinen Schreibtisch räumen.