Um mich herum tanzen und trommeln Frauen in rotgelbgrünen Saris, hocken glucksende Kleinkinder im tiefen Sand, Der Kokosnussverkäufer macht das Geschäft seines Lebens. Karneval, aber nicht in Rio, sondern in Mumbai, das früher Bombay hieß! 60.000 dieser bunt bemalten Gipselefanten werden die fromm fröhlichen Hindus an Mumbais Stränden Mumbai im Meer versenken und damit genau das pulsierende Geschäftsleben der Weltfinanzmetropole lahmlegen, dessen Schutzpatron er ist. Das wär so, als wenn Wallstreet-Bänker 60.000 Bullen, die Symbole von Börsenglück und Profit, in den Hudson treiben würden, Verkehrschaos und Wasserverschmutzung inbegriffen
Doch der kleine Dicke mit dem Elefantenrüssel ist hier in Mumbai der Boss. Gerade im Zeichen der Globalisierung scheint Lord Ganesha als Schutzpatron der Millionen kleinen und großen Händler, vom Schuhputzer bis zum Informatik-Unternehmer, vom Rikschafahrer bis zum Finanzhai, besonders gefragt zu sein. Dabei spielt der Gott der Klugheit und Geschäfts-Intelligenz im bunten, oft verwirrenden Kosmos der Hindu-Götter eigentlich nur eine Nebenrolle. Auf dem übrigen Subkontinent ist das Elefanten-Idol kein Global Player, da sind Shiva, Ram und Krishna die Herrscher des Universums, aber Mumbai ist Mumbai. In der 18,5 - Millionen-Stadt ist er der absolute King, dessen Geburtstag im September prächtig gefeiert wird- zehn Tage lang.
Ganesh Geburtstag wird noch heute gefeiert
Wie alles in Indien fängt das Ganesh-Fest ganz klein und harmlos an. Vor ein paar Tagen sah ich die drei Bettlerinnen, die mich sonst bei meinem täglichen Strand Walking mit professioneller Hartnäckigkeit verfolgen und "Mama money" schreien, andächtig Löcher in den Sand graben und Kokosnüsse, Räucherstäbchen, Blümchen und Glitterpapier um eine winzige Ganesh-Statue aus Lehm zu drapieren. Ganz wie in der Legende, wo Ganesh auch aus umweltfreundlichen Lehm gemacht ist: Parvati, die Frau von Shiva, dem Weltenlenker, wollte gerne unbeobachtet von ihrem lüsternen Göttergatten baden. Da schabte sie sich ein bisschen Staubkruste von ihrem Oberarm und schuf daraus ihren kleinen Sohn Ganesh, der fortan vor ihrem Badehaus wachte. Als Shiva seiner Frau wieder einmal nachspionierte, verwehrte ihm sein ungezeugter Sohn Ganesh den Zutritt, worauf Shiva ihm den Kopf abschlug. Parvati machte eine solche Szene, dass der Ober-Gott geknickt seine Diener ausschickte, um den Kopf des ersten Lebewesens herbeizubringen, das ihnen begegnete. Das war der Elefant. Die Götter nähten Ganesh den Tierkopf auf und erweckten ihn zu neuem Leben und so wird Ganesh Geburtstag noch heute gefeiert und die indischen Dickhäuter kamen zu ihrer Heiligkeit.
Über die Autorin
Als Swantje Strieder vor einigen Jahren, damals für den Spiegel, aus Indien berichtete, waren Hungersnöte, Mitgiftmorde und Grenzkriege die beherrschenden Themen. Nach Zwischenstationen in Rom, New York und Hamburg ist sie wieder nach Indien zurückgekehrt und lebt seit kurzem in der Mega-City Mumbai. Vom mühsamen und doch faszinierenden Alltag wird sie jede Woche in ihrer "mail aus mumbai" berichten.
Manchmal kann man noch echte Elefanten als Glücksbringer auf Mumbais Straßen sehen, aber die Abgase und Lärm tun den Tieren nicht gut. Den Menschen auch nicht. Deshalb kündigte die Polizei in der Hindustan Times ihren genauen Schlachtplan von Strassensperren an. "Fahr bloß nicht ins Zentrum, da brauchst du nicht nur die üblichen zwei Stunden, sondern vier", riet meine Freundin Neha, die als Kleinst-Ladenbesitzerin immer weiß, was gerade läuft. Dafür lud sie mich zu einer Puja, einer Ganesh-Zeremonie daheim bei ihren Eltern ein. Dort thronte das Gipstier Lametta geschmückt und beladen wie ein Christbaum stolz in der Mitte der Einzimmerwohnung und blinzelte unter langen Wimpern kokett hervor. In billigen Farben mit Bleizusatz, aber das stört hier niemand. Alle Versuche von Umweltschützern wie dem Fotografen Sunjoy Monga, der alle Jahre wieder einen Öko-Ganesh aus Pappmache für die Badewanne fordert, sind umsonst. Big is beautiful. Der CD-Player spielte erbauliche Ganesh-Lieder und Nehas Mutter fütterte mich mit Modak, süßen Reisbällchen mit Kokosmilch und Chips und drückte mir rote Farbe auf die Stirn Der Größe ihres Ganesh nach haben Neha und ihre Eltern ein exzellentes Geschäftsjahr gehabt.
Big ist beautiful. Auch wenn es danach ein bisschen stinkt
Das ist natürlich nichts gegen die Karwenzmänner in der City. Der Lalbaugh Mandala, mit ca. 15 Meter Höhe die größte Ganesh-Statue, zog allein am vergangenen Wochenende zwei Millionen fromme Hindus an. Die standen acht bis neun Stunden die Beine in den Leib, nur um einen Blick auf das Glückstier zu erhaschen. Natürlich brach der Verkehr der Stadt in den Nachmittagstunden zusammen, aber da er es täglich tut, war es der Zeitung keine Meldung wert, nur, dass die tüchtigen Ordnungshüter in Khakishorts (bisher) eine Panik mit vielen Toten verhindert hätten. Denn ab heute kommt das Elefantenfestival erst richtig in Fahrt. Das heißt für uns, Ganesh sei dank, dass die Luftfracht aus Deutschland mit wichtigen Dokumenten für eine Kontoeröffnung nicht pünktlich kommt. Das heißt, dass unsere Verhandlungen über den so heiß ersehnten Mietvertrag stagnieren, die notarielle Beglaubigung können wir wohl ohnehin bis zum 25.September, dem Höhepunkt des Ganesh-Festivals, knicken. Ach, Ganesh, dabei bist du doch der Gott der Geschäftstüchtigkeit! Dafür habe ich abends am Strand meine Elefantenmeetings. Tausende von Familien, Tempel- und Hausgemeinschaften ziehen prozessionsartig ans Meer, um ihre Statuen zu versenken. Sie feiern , lachen und werfen rotes Farbpulver auf uns, werfen sich in Positur, um sich mit dem kleinen Dicken fotografieren zu lassen. Die Bettlerinnen haben ihr Opfer schon gebracht, denn sie haben wieder viel Zeit, zu verfolgen. Ganesh hilf!
Am Morgen danach liegen Blumengirlanden, verrottete Früchte und - lauter abgeblätterte kleine weiße Leichen am Strand, die Gips-Elefanten, die das Meer nicht mehr wollte. Das Wasser ist so dreckig und aggressiv, dass meine Jogging-Schuhe wie frisch aus der Waschmaschine aussehen. Und da es keine Latrinen für die tausenden von Menschen gibt, stinkt es, als ob eine Riesen-Herde Elefanten hingeschifft hätte. "Freu dich auf den letzten Tag, da kommen erst die großen Jumbos," weiß Neha, "der Strand wird so schwarz voller Menschen sein, dass du kein Sandkorn mehr siehst." Big ist beautiful. Auch wenn es danach ein bisschen stinkt