Verhaltensregeln Knigge für Soldaten

Eine "Benimm-Fibel" soll die US-Soldaten das richtige Verhalten im Irak lehren. Doch Experten zweifeln, ob mit den Verhaltensregeln die Herzen und Hirne der Iraker gewonnen werden können.

Mit der Aussicht auf Befreiung und humanitärer Hilfe wollen die amerikanisch-britischen Truppen den Kampf um die Herzen und Hirne der Iraker gewinnen. Erleichtern soll den Soldaten das Vorhaben eine etwa 50-seitige "Fibel" mit Hinweisen auf das richtige Verhalten im fremden Land. Islamische Gelehrte zweifeln allerdings am Erfolg und sagen stattdessen einen jahrelangen Widerstand wie in den Palästinensergebieten voraus.

Gewalt erzeugt Gegengewalt

"Das wahre Problem ist nicht, wie man irakische Frauen behandelt, sondern ob man als Besatzungsmacht von der irakischen Gesellschaft akzeptiert wird", sagt Dia Raschwan vom Al-Ahram-Zentrum für politische und strategische Studien in Kairo. "Drei Millionen Palästinenser wehren sich seit 36 Jahren gegen die israelische Besatzung. 25 Millionen Iraker schaffen das bei den langen und offenen Grenzen 50 Jahre." Raschwan erinnert auch daran, dass sich Gewalt und Gegengewalt in den Palästinensergebieten immer höher geschaukelt haben und vor allem die Zivilbevölkerung darunter leidet.

"A Soldier’s Guide to the Republic of Iraq", "Ein Soldaten-Führer für die Republik Irak", heißt die rund 50 Seiten starke Fibel mit Verhaltensregeln für Amerikaner gegenüber Irakern. Die Soldaten bekommen allgemeine Tipps zur Geschichte, Kultur und Bräuchen im Irak sowie Hinweise, was man in einem arabisch-islamischen Land lieber ganz unterlassen sollte. Dazu gehört beispielsweise die Einladung zum Glaubenswechsel, die Frage nach weiblichen Familienmitgliedern oder die Diskussion über Politik und Religion. Andere Tipps könnten aus einem Reiseführer stammen, wenn es beispielsweise heißt, dass man keine Frauen anstarren und niemals die linke (unreine) Hand geben sollte.

Übersetzungsprogrammen sollen Sprachprobleme lösen

Sprachprobleme sollen mit Übersetzungsprogrammen weitgehend maschinell gelöst werden. Ein elektronischer Übersetzer überträgt die Worte ins Arabische oder Kurdische. Zu Komplikationen kann es aber zum Beispiel kommen, wenn ein Amerikaner bei der Begrüßung den Zusatz "ahlan wa sahlan" (herzlich willkommen) verwendet. Diese Formel verwendet in der arabischen Welt traditionsgemäß nur der Gastgeber.

Ein Armee-Knigge hat seine Grenzen, wenn Militäreinsatz und Religion kollidieren. Dies trifft besonders auf die heiligen Städte Nadschaf und Kerbela in Zentralirak zu. In Nadschaf steht die Grabesmoschee des 661 gefallenen vierten Kalifen, Ali. Dessen Anhänger, die Schiiten, stellen im Irak und im Nachbarland Iran die Bevölkerungsmehrheit. "Ich bin sicher, dass sich auch die alliierten Streitkräfte über die Bedeutung der heiligen Städte bewusst sind. Die schiitische Welt ist sehr sensibel in dieser Hinsicht, und man sollte diese Sensibilität nicht überstrapazieren", sagt Irans Außenminister Kamal Charrasi.

"Dies hat einen ganz negativen Einfluss nicht nur auf die Schiiten, sondern die gesamte muslimische Welt", meint der Kairoer Politologe Raschwan. "Sollte den heiligen Stätten etwas passieren, werden die Schiiten ihre Anstrengungen für eine Revanche verdoppeln." Abdel Moati Bajumi, Mitglied des Forschungszentrums an der einflussreichen Kairoer el-Azhar-Universität, geht noch weiter und glaubt, dass die Abriegelung dieser Städte dem Terrornetzwerk von Osama bin Laden neue Legitimität in der muslimischen Welt verleihen würde.

DPA