Parlamentswahl in der Türkei Tag der Entscheidung für Erdogan

Die Wahl in der Türkei hat begonnen. Präsident Erdogan will das Land in ein Präsidialsystem umwandeln - mit sich an der Spitze. Doch die Kurden-Partei HDP könnte seine Pläne durchkreuzen.

Die Parlamentswahl in der Türkei hat begonnen. Rund 54 Millionen Wähler sind aufgerufen, über die künftige Zusammensetzung der Volksvertretung in Ankara und damit die neue Regierung zu entscheiden. Die Wahllokale öffneten um 7 Uhr (MESZ) und schließen um 16 Uhr. Erste Ergebnisse sollen am Abend vorliegen.

Die Abstimmung ist wegweisend für den Kurs der Türkei und das künftige politische System des Landes. Denn die Wähler stellen bei der Abstimmung auch die Weichen für oder gegen ihren Staatschef Recep Tayyip Erdogan, der per Verfassungsänderung ein Präsidialsystem in der Türkei einführen will - mit ihm an der Spitze.

Erdogan selbst tritt nicht bei der Wahl an und ist als Präsident des Landes auch zur Neutralität verpflichtet. Doch der 61-Jährige hat sich im Wahlkampf immer wieder eingemischt und für die AKP engagiert, die er mitgegründet hat. Umfragen zufolge ist es aber unsicher, ob er sein Ziel erreichen kann.

Schafft es die Kurden-Partei ins Parlament?

Zentrale Frage ist dabei, ob die pro-kurdische HDP die Zehn-Prozent-Hürde überwindet. Dann dürfte die AKP die erforderliche Mehrheit verfehlen, um eine Verfassungsreform für ein Präsidialsystem mit Erdogan an der Spitze in die Wege zu leiten.

Die HDP vertritt die kurdische Minderheit in der Türkei und könnte erstmals ins Parlament einziehen. Die Partei ist zum Sammelbecken all jener geworden, die unzufrieden mit der Regierung der islamisch-konservativen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) sind.

Sollte es die HDP ins Parlament schaffen, stellt sie mindestens 60 Abgeordnete. Sie würde damit vermutlich die Pläne Erdogans für eine Verfassungsänderung durchkreuzen. Einige Umfragen sehen sogar die Regierungsmehrheit der AKP gefährdet. Zum ersten Mal seit 13 Jahren könnte es in der Türkei somit wieder eine Koalitionsregierung aus mehreren Parteien geben.

Wahlkampf von Gewalt geprägt

Die seit 2002 regierende AKP ist die stärkste politische Kraft im Land und dürfte das trotz erwarteter Verluste auch bleiben. In Umfragen liegt die AKP bei 40 bis 45 Prozent, weit vor der säkularistischen CHP, die auf 25 bis 28 Prozent hoffen kann, und der Nationalistenpartei MHP, der 15 Prozent der Stimmen vorausgesagt werden.

Der türkische Wahlkampf war von zahlreichen Gewalttaten geprägt, die sich vorwiegend gegen die HDP richteten. Im südostanatolischen Diyarbakir explodierte bei einer Kundgebung der Partei am Freitag ein Sprengsatz. Dabei wurden zwei Menschen getötet und mehr als hundert weitere verletzt.

2,8 Millionen im Ausland lebende Türken waren bereits im Mai aufgerufen, ihre Stimme in diplomatischen Vertretungen ihres Landes abzugeben. Von den rund 1,4 Millionen wahlberechtigten Türken in Deutschland beteiligten sich türkischen Medien zufolge knapp 534.000 an der Wahl. Länderübergreifend lag die Wahlbeteiligung bei den türkischen Auslandswählern demnach bei 36 Prozent.

AFP
kis/AFP