FDP-Chef Guido Westerwelle hat vom Wahlziel 18 Prozent vorerst Abschied genommen, will aber an der Strategie der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Partei festhalten. »Die Zahl 18 war nie Inhalt der Strategie der FDP, sondern ein Instrument«, schrieb Westerwelle in einem 16-seitigen Strategiepapier, das an diesem Donnerstag und Freitag auf einer Klausurtagung von FDP- Bundesvorstand und -Bundestagfraktion in Berlin erörtert werden soll. »Welches Wahlziel die FDP sich bei der Bundestagswahl im Jahre 2006 setzt, wird vor der Bundestagswahl und nicht jetzt entschieden.«
Die FDP habe mit 7,4 Prozent zwar ihre Wahlziele im September nicht erreicht, die Substanz der Partei habe sich aber gegenüber 1998 deutlich verbessert, schreibt Westerwelle. Das werde besonders an den Erststimmen deutlich. Auch bestehe das bisherige Ost-West- Gefälle nicht mehr, die FDP sei eine gesamtdeutsche Partei.
Sündenbock Möllemann
»Das Ergebnis ist gleichwohl für die FDP und unsere Anhängerschaft enttäuschend, weil wir unsere drei Wahlziele nicht erreicht haben, stellt Westerwelle fest: «Wir blieben weit hinter unserem Wahlziel 18 Prozent zurück, wir konnten die Regierungsverantwortung nicht erringen und blieben bei den wahlentscheidenden Zweitstimmen auf dem vierten Platz.» Westerwelle macht dafür erneut vor allem den früheren NRW-FDP-Chef Jürgen Möllemann mit der von ihm im Mai ausgelösten Antisemitismus-Debatte verantwortlich.
Die Enttäuschung sei bei der Anhängerschaft und in der Partei auch deshalb besonders groß, weil ein Regierungswechsel zum Greifen nahe gewesen sei und die FDP eindeutig unter ihren Möglichkeiten bei der Bundestagswahl geblieben sei. Zunächst habe sich die Partei nach der erfolgreichen Wahl in Sachsen-Anhalt und dem Mainzer Bundesparteitag auf dem Zenit der Wählerzustimmung befundenen.
Dann habe die Antisemitismus-Debatte begonnen, die, obwohl sich der Bundesvorstand eindeutig von Möllemann distanziert habe, bei vielen bürgerlichen Wählern der FDP Irritationen hinterlassen habe. Zudem sei - sein, Westerwelles - Ansehen beschädigt worden. Nach Möllemanns erneuter Aktion kurz vor der Wahl hätten sich viele mögliche Wähler endgültig von der FDP verabschiedet.
Westerwelle: »Substanzgewinn für FDP«
Nach einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach habe es in keiner anderen Wählergruppe eine größere Diskrepanz zwischen der grundsätzlichen Bereitschaft, FDP zu wählen, und der tatsächlichen Wahlentscheidung gegeben. Jeder zweite habe seinen Verzicht auf Wahl der FDP mit den Äußerungen Möllemanns begründet.
»Unterm Strich hat sich die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der FDP bewährt und zu einem Substanzgewinn der FDP geführt«, schreibt Westerwelle. Die FDP sei nicht Bestandteil eines konservativen Lagers, sondern bleibe eine eigenständige Alternative zu allen anderen Parteien in Deutschland. Bewährt habe sich auch die Zweite Säule der Strategie, dass die FDP eine Partei für das ganze Volk sei.