Föderalismus-Debatte Reform droht zu kippen

Die umfassendste Verfassungsreform in der Geschichte Deutschlands schien schon besiegelt. Doch durch immer neue Forderungen und Bedenken gerät die Föderalismusreform in Gefahr.

Unmittelbar vor der entscheidenden Verhandlungsrunde Ende der Woche entstanden immer weitere Fronten zwischen Bund und Ländern, aber auch unter den Ländern. Eine Lösung in dem Streit war vor der Sitzung der Ministerpräsidenten am frühen Mittwochabend in Berlin nicht in Sicht. Partei- oder Koalitionszugehörigkeiten spielten keine Rolle mehr.

Der FDP-Obmann in der Föderalismuskommission, Ernst Burgbacher, sieht den Spielraum für eine wirkliche Reform "nur noch sehr, sehr eng". Er lastete dies der Spitze der Kommission an, die Finanzfragen und eine Länderneugliederung von vornherein ausgeklammert habe.

Von einer Sitzung der Ministerpräsidenten am Mittwochabend wurde erhofft, dass die Länder wenigstens untereinander ihre Meinungsunterschiede überwinden. Mehrere Länder hatten sich zu Wochenbeginn unzufrieden mit den Vorschlägen der beiden Kommissionsvorsitzenden - neben Stoiber auch SPD-Chef Franz Müntefering - gezeigt.

Stoiber gegen eine Verfassungänderung wegen des Solidarpaktes

Zur Forderung der Ost-Länder zum Solidarpakt meinte Stoiber, eine solche Frage gehöre "rein von der Verfassungshygiene her" eher nicht in die Verfassung. Er schlug vor, die Forderung der Ost-Länder in einem Begleittext zu geplanten Verfassungsänderungen aufzunehmen. Die Ost-Länder verlangen, dass Zahlungen aus dem Solidarpakt II in Höhe von 51 Milliarden Euro bis 2019 festgeschrieben werden.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) pocht weiter auf der Länderzuständigkeit für die Bildung. Die SPD-Linke hat angesichts der mit dem Pisa-Test erneut festgestellten Schwächen des deutschen Schulsystems "eine bildungspolitische Offensive unter Beteiligung des Bundes" verlangt.

Es gärt in den Koalitionen

Führende Grüne lehnten die von Innenminister Otto Schily (SPD) angestrebte Kompetenzerweiterung für das Bundeskriminalamt strikt ab. Schily wird wiederum von der Unionsfraktion unterstützt.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) sieht eine Verlagerung der Zuständigkeit für die Besoldung der Beamten auf die Länder kritisch: "Wir sind für die Reform des bundesstaatlichen Föderalismus, aber gegen Wettbewerbs- und Verdrängungsföderalismus. Das finanzielle Rennen um die besten Köpfe können wir nicht gewinnen."

Grünen-Fraktionschefin Krista Sager forderte wiederum die Union auf, der Einführung eines Umweltgesetzbuchs nicht im Wege zu stehen. Wenn sich CDU-Chefin Angela Merkel dazu bekenne, solle sie sich hier auch bei Stoiber durchsetzen.

Die Bundesregierung nahm trotz der verfahrenen Lage eine betont zurückhaltende Haltung ein. Sie sei "kein Verhandlungspartner", sagte Regierungssprecher Béla Anda. Bundeskanzler Gerhard Schröder will sich nach Andas Angaben in die abschließenden Beratungen, die am Freitag beginnen, nicht selbst einschalten.

DPA
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