Die Polizei sagt, es waren 3600, das Protestbündnis spricht von rund 7000 Menschen, die am Samstag in einer ersten großen Demonstration in Garmisch-Partenkirchen gegen den G7-Gipfel protestiert haben. Ganz in Rosa, ganz in Weiß, ganz bunt. Selbstredend auch ganz in Schwarz.
Nach fast sechs Stunden Marsch bei strahlendem Sonnenschein mit Love-Parade-Stimmung, aber auch Zusammenstößen mit der Polizei, endete der Protest in einem massiven Wolkenbruch, der die Demonstranten in den Bahnhof und in eine Unterführung trieb. Genug Zeit, um sich die Menschen, die auf die Straße gehen, genauer anzusehen. Eine Typologie:
Margot trägt heute Pastellfarben, ist 73 1/2 Jahre alt und hat einen Wunsch. Die agile Dame aus Garmisch-Partenkirchen will, dass die Demonstrationen friedlich bleiben. Deshalb hat sie Schilder gebastelt, ihre Bitte drauf geschrieben und läuft nun damit zwischen Demonstranten und Polizei hin und her. Es komme gut an, sagt sie. Tatsächlich fangen eigentlich alle an zu lächeln, wenn Margot auftaucht.
"Diese Demonstration ist kein Happening"
Vor allem "Renate", eine mütterlich-freundliche Frau mittleren Alters, kurzhaarig, die klare politische Vorstellungen hat, aber vor allem will, dass es allen gut geht. Als sie hört, dass "bestimmte Leute" die Polizei provoziert haben, nimmt sie ein Mikrofon und tut ihren Unmut kund. "Diese Demonstration ist kein Happening", schimpft sie. Die Provokateure hätten keinen Respekt für ihre Mitdemonstranten. Bevor sie weiterreden kann, zieht ein Teil des schwarzen Blocks an ihr vorbei und brüllt sie nieder. Einer davon ist Bastard.
Bastard hat sich selbst so genannt. Er ist Anfang, Mitte 20, trägt knielange Hosen, New-Balance-Turnschuhe, sehr kurze Haare und ist ziemlich drahtig. Die Presse liebt ihn, weil Typen wie er am lautesten schreien, gern vermummt auftreten und angerannt kommen, sobald es knallt. Wenn man ihn anspricht, brüllt er "Pressepest" und reckt die Brust raus, damit man das "I love Riot" auf seinem T-Shirt besser lesen kann.
"Noah" könnte man zuerst für einen wie Bastard halten, doch auf den zweiten Blick ist er schmaler und wenn man ihn fragt, was er von all dem hier hält, antwortet er erst einmal nicht, weil er nachdenkt. Dann sagt er: "Ich könnte einen Diskurs über zwei Stunden geben. Wir sind alle dazu hier, damit es der Welt besser geht." Er selbst protestiert gegen die Zerstörung der Natur. Er ist allein unterwegs. Später auf der Demonstration, als ich ihn frage, ob das alles eigentlich etwas bringt, sagt er mit buddhistischer Ruhe: "Vielleicht ist es nicht mehr als eine Möglichkeit, aber wenigstens die."

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Das Gegenteil von "Noah" ist der Witzbold, der lustige T-Shirts ausführt ("Schwerter zu Flugscheiben", zum Beispiel) und der immer zynische Sprüche drauf hat, sobald er Presse sieht. Sonst wohl auch. Trotzdem ist er tief davon überzeugt, das Richtige zu tun. Er hat genug gelesen, um sicher zu sein. Und wenn er einen Schlagstock abbekommt, steht er wieder auf und geht weiter.
Nicht wirklich witzig sind die Protest-Clowns. Wild geschminkte, verkleidete Genossen, die die ohnehin kurz vor dem Hitzekollaps stehenden Polizisten noch mehr ins Schwitzen bringen. Sie halten ihnen eine Klobürste ins Gesichts für ein "Interview". Sie werfen einen "Pflasterstein" aus Schaumstoff über den Helmen hin und her, sie imitieren Polizeigebaren und kringeln sich vor Lachen über sich selbst, so dass man nicht anders kann, als die stoische Ruhe der Beamten zu bewundern.
Antikapitalismus und Party
Aus anderen Gründen nicht witzbegabt ist der Typ "Silke". Sie nimmt alles einfach sehr, sehr ernst und das schon seit sie 13 ist. Sie trägt eine Brille und erklärt Fragenden gern, welcher antikapitalistischen Untergruppierung sie gerade angehört und warum. Sie ist hilfsbereit und freundlich, solange man nicht einem ihrer Feindbilder entspricht. Sie mag Feindbilder.
Das hat sie mit "Rüdiger" gemeinsam. Rüdiger ist Ende 60 und trauert immer noch seiner Studienzeit hinterher, in der er doch viel besser reden konnte als Rudi Dutschke. Dass die jungen Leute von heute seinen Ausführungen nicht folgen wollen, obwohl er doch auf der Hauptbühne steht, versteht er nicht. Immerhin: Wenn er "Hoch die internationale Solidarität" ruft, stimmen alle ein.
Bis auf Lucas und Theresa, 17 und 16, die eigentlich für Klausuren lernen müssten, aber schon in München gegen TTIP demonstriert haben. Sie sind aufrichtig empört und haben für den Protest in Garmisch-Partenkirchen extra ein Schild gebastelt, das Merkel und Obama auf Bayerisch veralbert.
Ein Schild, das dem kleinen Mädchen mit dem Lenin-T-Shirt nicht cool genug ist. Aber sie ist eh nur wegen ihrer Freundin hier, die ihr versprochen hat, dass es auch eine ordentliche Party geben werde. Aber dann ist dieses wirklich heftige Gewitter losgebrochen.
Diese Liste ist definitiv nicht vollständig. Namen in Anführungsstrichen sind geändert.