Der rund neun Monate alte Sohn der Grünen-Bundestagsabgeordneten Hanna Steinmüller hat mit seiner Mutter Geschichte geschrieben. Als erstes Baby war er am Dienstag mit ihr am Rednerpult im Plenum des Hohen Hauses – so wie er jeden Dienstag und Freitag an der Seite seiner Mutter ist.
Geplant sei es nicht gewesen, dass sie mit dem Baby ans Pult tritt – doch er habe tief und fest geschlafen, berichtete die Politikerin auf Instagram. Im stern-Interview spricht Steinmüller über die plötzliche Aufregung:
Welche Reaktionen haben Sie auf Ihren Auftritt bekommen?
Einige Kollegen waren überrascht, aber die meisten haben sich gefreut. Und haben gesagt, dass das mit ihren Kindern nicht funktioniert hätte – sie wären zu laut gewesen. In der Öffentlichkeit gab es viel Aufmerksamkeit. Einerseits motiviert mich das. Andererseits sollten wir nicht nur über Symbole sprechen, sondern auch über politische Maßnahmen – ich habe in der Rede über bezahlbares Wohnen gesprochen, hier ist viel zu tun! Manche Menschen haben sich Sorgen gemacht, ob der Plenarsaal der richtige Raum ist. Anderen hat es gefallen, dass mein Sohn sichtbar ist.

Zur Person
Hanna Steinmüller ist direkt gewählte Grünen-Abgeordnete für den Wahlkreis Berlin-Mitte und seit 2021 im Bundestag. Sie vertritt ihre Partei im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen. Ihren Sohn brachte sie im Dezember 2024 zur Welt
Sie sprechen von Sichtbarkeit. Was muss sich ändern, damit Kinder im Berufsleben sichtbarer sind?
Die Erwartungshaltung ist oft, dass man zu beruflichen Terminen ohne Kind kommt. Aber das ist wirklichkeitsfremd. Es muss normaler werden, dass Kinder dabei sind, durch die Gegend krabbeln und Geräusche machen. Flexibilität ist wichtig. Das würde vielen Eltern den Alltag erleichtern.
Was kann die Politik tun?
Wir brauchen eine verlässliche und flexible Kinderbetreuung. In vielen Bundesländern ist das deutlich schwieriger und teurer als in Berlin. Das zweite Thema sind die Arbeitsbedingungen: Wir brauchen gute Löhne, damit vielleicht nicht beide Vollzeit arbeiten müssen. Und wir müssen uns fragen, ob 40 Stunden realistisch sind oder es eine gerechtere Zeitverteilung gibt? Außerdem sollte das Ehegattensplitting überdacht werden. Es begünstigt nur die Ehe steuerlich, nicht aber die Familie mit Kindern.
Als Abgeordnete haben Sie keinen Anspruch auf Elternzeit. Mit welchen Herausforderungen kämpfen Sie als Politikerin mit Kind?
Ich teile mir die Betreuung mit meinem Mann auf, denn ich glaube nicht, dass Gleichberechtigung bedeutet, dass nur eine Person die Carearbeit übernimmt. Trotzdem kämpfen auch wir mit Problemen. Die Sitzungszeiten sind ewig lang, oft bis Mitternacht. Gleichzeitig finde ich es wichtig zu betonen, dass wir Abgeordneten überdurchschnittlich viel verdienen und damit deutlich mehr Freiheiten und Möglichkeiten haben.

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Viele Frauen hadern damit, eine Führungsrolle im Beruf einzunehmen und gleichzeitig einen Kinderwunsch zu haben. Welchen Ratschlag geben Sie diesen Frauen?
Jede Frau muss selbst entscheiden, was für sie passt. Und ich kann verstehen, dass man unter diesen Bedingungen den Spagat zwischen Kind und Karriere nicht möchte – es ist nicht leicht. Aber die Volksvertretung lebt von verschiedenen Perspektiven, auch von Familien. Vielleicht hat meine Rede am Dienstag gezeigt, dass Dinge möglich sind, die wir nicht erwartet haben. Und so können wir gemeinsam für mehr Vereinbarkeit sorgen.