Kommentar Nieder mit dem "Call a bike Standort"

Alle Jahre wieder fordern zu kurz gekommene Patrioten, Sprachglanzpfleger und Auch-Was-Sagen-Woller ein Reinheitsgebot für die deutsche Sprache. Die Initiative der Unions-Abgeordneten will weniger und ist deswegen so gut. Aber halten sich die Politiker auch an ihre eigenen Vorschläge?

Das schönste Beispiel für einen völlig verzockten Anglizismus lieferte weiland Sat.1. Der Sender wählte als Werbespruch "powered by emotion", was so viel heißt wie "mit viel Gefühl", aber lässiger klingen sollte. Die Konsumenten jedoch übersetzten den Spruch häufig mit "Kraft durch Freude", dem Namen einer nationalsozialistischen Wohlfahrtsorganisation. Was für ein krudes Bild, das sich in den Köpfen der Menschen zusammengesetzt haben muss: Mit Sat.1 ins kleine Nazi-Glück. Au weia.

Diese Panne, die alle Marketingstrategen hätte hellhörig machen müssen, blieb indes ohne Konsequenzen. Und so beballern sie uns nach wie vor mit den absurdesten Anglizismen. Einen Ehrenpreis hat sicherlich die Bahn verdient, die Peinlichkeiten wie "Call a bike Standort" in Serie liefert. Das Argument eines Bahn-Sprechers, man bräuchte für ein international agierendes Unternehmen eben internationale Bezeichnungen, ist eine Frechheit. Welcher Asiate, Herr Bahnsprecher, würde eigentlich kapieren, was ein "Call a bike Standort" sein soll?

30 Tage Haft für englische Überschrift

Insofern haben die Unionsabgeordneten recht: "Es muss im Alltag wieder selbstverständlich werden, dass man sich als Verbraucher in Deutschland ausschließlich mit dem Beherrschen der deutschen Sprache zurechtfindet." Zu viele Menschen verstehen kein Englisch oder verstehen es falsch. Wenn sich jemand auf dem "Airport" verläuft, ist das nur ärgerlich, aber wenn ein OP-Assistent in der Klinik die Bedienungsanleitung für ein Gerät nicht versteht, ist das bedrohlich. Der Bund und die Länder hätten einige Möglichkeiten, hier einzuwirken: Bedienungsanleitungen müssen auch in Deutsch abgefasst sein, Schilder und Anzeigentafeln müssen auch deutsch beschriftet sein, große Unternehmen, die dem Bund gehören, müssen ihre Angebote auch in Deutsch formulieren. Eine schnelle, sichere Orientierung im Alltag kann uns ein paar Vorschriften wert sein.

Aber Anglizismen verbieten? Just wird in Slowenien, das eines der strengsten Sprachgesetze Europas hat, gegen den Chefredakteur der Zeitschrift "Finance" verhandelt. Dem Mann drohen 30 Tage Knast, weil er eine englische Überschrift gedruckt hat. Eine derart brutale Sprachdiktatur zeugt von überschäumendem Patriotismus, aber nicht von philologischer Kompetenz. Sprache ist ein anarchisch fließendes Gebilde, das sich aus verschiedenen Quellen speist. In Deutschland benutzen wir Begriffe aus dem Lateinischen ("et cetera"), dem Griechischen ("Idee"), natürlich auch französische Worte ("Kantine") und englische ("Foul"). Wer könnte darüber richten, welches Wort treudeutsch oder noch treudeutsch beziehungsweise eingedeutscht oder fremd ist? Und was hätten wir eigentlich davon? Doch nur eine Beschränkung des Ausdrucks und ein umständliches sprachliches Geholper. Die korrekte Übersetzung von Handy lautet Mobiltelefon oder Funkfernsprecher. Noch genauer wäre vermutlich bewegliches Funkfernsprechgerät. Solange der Verbraucherschutz nicht tangiert ist, können wir getrost auf Sprachsäuberungs-Aktionen verzichten.

Geschäft mit Nebelkerzen

Das ist offenkundig auch die Auffassung der Unions-Abgeordneten, sie haben klugerweise erst gar nicht versucht, ein Reinheitsgebot für die deutsche Sprache zu fordern. Dafür haben sie einen Punkt auf die Agenda gesetzt, der noch viel utopischer klingt. Unter dem Titel "Vorbildcharakter der Bundesregierung" heißt es: "Gesetzestexte, Verlautbarungen, eigene Werbekampagnen der Bundesregierung, Veröffentlichungen aller Art und weitergehende Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern sollen in verständlicher deutscher Sprache abgefasst werden." Das ist in einem Geschäft, in dem Intrigen, Machtspiele, sprachliche Nebelkerzen, Halbwahrheiten und schlichtes Verschweigen auf der Tagesordnung stehen, geradezu ein Anschlag auf die Betriebsverfassung. Man stelle sich vor, der Außenminister müsste in "verständlicher, deutscher Sprache" Auskunft über den Fall Kurnaz geben. Oder Ulla Schmidt müsste auf gleiche Weise die Gesundheitsreform erklären, von A bis Z. Dem Bürger wäre damit sicherlich geholfen, aber nicht den Politikern. Deswegen wird es wohl beim gut gemeinten Appell bleiben.