Reformpläne Thierse fürchtet um die SPD

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse befürchtet bei einem Scheitern der SPD-Reformpolitik den politischen Absturz seiner Partei.

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse befürchtet bei einem Scheitern der SPD-Reformpolitik den politischen Absturz seiner Partei. "Die Sozialdemokratie kann gar nicht anders - um den Preis ihres eigenen Überlebens - als sich den Veränderungsnotwendigkeiten zu stellen", sagte der SPD-Vize der "Berliner Zeitung" und unterstütze damit im parteiinternen Streit das Reformkonzept von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Auch von anderen SPD- Spitzenpolitikern erhielt Schröder Rückendeckung. Kritik kam erneut von Gewerkschaften und Union.

"Wer das Bestehende verteidigt, muss beweisen, dass es hilft"

Thierse betonte, die Arbeitsmarktpolitik der vergangenen 30 Jahre habe sich als erfolglos erwiesen. "Wer das Bestehende verteidigt, muss beweisen, dass es hilft", sagte er zum Widerstand gegen Einschnitte und Veränderungen bei den Sozialleistungen. Thierse nahm den Kanzler auch wegen dessen Drohung in Schutz, persönliche Konsequenzen zu ziehen, wenn sich der SPD-Sonderparteitag am 1. Juni gegen sein Konzept aussprechen sollte. Man dürfe es Schröder nicht vorwerfen, wenn er seine Reformvorschläge unter Einsatz seiner persönlichen Autorität verteidige.

Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck sagte dem Blatt, in der Ost-SPD sei die Notwendigkeit der Reformen unumstritten: "Sonst fliegen uns in einigen Jahren die sozialen Sicherungssysteme um die Ohren." Bei der ersten SPD-Regionalkonferenz zu den geplanten Reformen am Montagabend in Bonn hatte Schröder überwiegend die Unterstützung der Basis erhalten.

Unverschuldete Abstürze der Arbeitslosen

Der für den Aufbau Ost zuständige Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) forderte, die hohe Arbeitslosigkeit im Osten Deutschlands besonders zu berücksichtigen. "In Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit muss verhindert werden, dass es zu unverschuldeten Abstürzen der betroffenen Arbeitslosen kommt", sagte Stolpe der Zeitung "Die Welt". In diesem Zusammenhang müsse etwa die Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld auf 18 Monate für ältere Erwerbslose noch einmal überprüft werden.

Mit dem Protest auf die Straße

Die Gewerkschaften wollen ihren Protest gegen Schröders Reformpläne zunehmend auf die Straße verlagern. Der DGB kündigte für den 24. Mai bundesweit Demonstrationen gegen Schröders "Agenda 2010" an. IG-Metall-Chef Klaus Zwickel sagte dem "Tagesspiegel"; der Agenda fehle "völlig der Mut zur Veränderung". Laut ver.di-Chef Frank Bsirske sind in den kommenden Wochen auch Demonstrationen gegen die rot-grüne Gesundheitspolitik geplant.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Einigungschancen noch nicht ausgelotet

Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, kritisierte im "Mannheimer Morgen" die Haltung seiner Kollegen: "Leider haben wir Gewerkschaften insgesamt die Einigungschancen mit der Regierung noch nicht ausgelotet." Auch Wirtschaft und Industrie forderten die Gewerkschaften auf, einen Beitrag zu mutigen Reformen zu leisten. Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt sagte der "Berliner Zeitung": "Jetzt ist nicht die Zeit für Blockaden und Verwässerungen."

CSU-Chef Edmund Stoiber forderte bei einem Scheitern der Reformen den Rücktritt des Kanzlers. Im Bundesrat werde die Unionsmehrheit die Reformpläne aber mittragen, sagte er im "Straubinger Tagblatt". Zuvor hatte Stoiber die "Agenda 2010" als sozial "unausgewogen" bezeichnet.

DPA